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Erster Dortmund-Tatort im HerbstGedreht wird sowieso in Köln

Über 30 Jahre nach der Schimanski-Erstausstrahlung kehrt der „Tatort“ ins Ruhrgebiet zurück – nach Dortmund. Doch die Stadt bleibt Kulisse.

Tatort-Team Dortmund. Hat mit der Nordstadt soviel zu tun wie Mitte mit Marzahn. Bild: dpa

Zur Präsentation seiner neuesten „Tatort“-Location hat der WDR über die Dächer Dortmunds gebeten. Vom 18. Stock des Harenberg-Verlagshauses wirkt die Stadt mit ihren immer noch 580.000 Menschen wie Spielzeug. Vor über 40 JournalistInnen steht gerade WDR-Intendantin Monika Piel – und erklärt, warum der dritte „Tatort“ aus Nordrhein-Westfalen, dessen erste Folgen ab Herbst gesendet werden, nur hier spielen konnte: „Es war klar, dass wir mal wieder ins Ruhrgebiet gehen“, sagt die Chefin der größten ARD-Anstalt mit Sitz in Köln.

Mögen die wirtschaftlichen Probleme nach dem Ende von Kohle und Stahl noch immer groß, mag die Arbeitslosigkeit auch hoch sein: Auf Dauer ignorieren kann der Sender, der das Land gerade zu Karneval immer wieder mit rheinischem Frohsinn flutet, das Revier mit seinen über fünf Millionen Einwohnern nicht. Aktuell ist in NRW Münster „Tatort“-Schauplatz – und natürlich Köln.

Ein wirkliches Kompliment an Dortmund, das sich selbst gern als „Westfalenmetropole“ feiert, kommt der Rheinländerin Piel aber nicht über die Lippen. „Essen und Duisburg fielen aus“, sagt sie stattdessen – dort verkörperten von 1974 bis 1991 schon Hansjörg Felmy und Götz George die Kommissare Heinz Haferkamp und Horst Schimanski. Faktisch blieben damit nur noch Bochum oder Gelsenkirchen – ein „Tatort“ aus Castrop oder Waltrop ist undenkbar.

Bettelbriefe aus den Rathäusern

Viele Städte hätten sich um die Dreharbeiten bemüht, betont die WDR-Chefin trotzdem: „Wir wurden angeschrieben. Uns wurde dargelegt, warum welche Stadt besonders geeignet ist“, beschreibt sie die Bettelbriefe aus den Rathäusern. „Dortmund ist die größte Stadt des Ruhrgebiets“, sagt Piel dann noch. „Spannend“ sei auch „der Strukturwandel“ nach dem Aus für die Schwerindustrie.

„Ich habe keinen Brief geschrieben“, kontert Ullrich Sierau. Dortmunds Oberbürgermeister ist in der SPD und die stellt seit Kriegsende ohne Unterbrechung das Stadtoberhaupt - mag die absolute Mehrheit im Stadtrat auch seit Jahren verloren sein. Das Aushängeschild der Dortmunder SPD, die Herbert Wehner „Herzkammer der Sozialdemokratie“ genannt hat, muss nicht um einen Fernsehkrimi betteln, soll das wohl heißen. Dann holt Sierau nach, was Piel versäumt hat: „Echt, authentisch, ehrlich“, seien die Dortmunder, lobt er seine Stadt. In Dortmund werde niemand ein Negativ-Image fürchten wie in Duisburg, als dort Schimanski durch den dreckigen Hafen zog. Und noch ein als Spitze gemeinter Satz: „Ein 'Tatort' lebt doch aus der Kulisse.“

Klischeebeladene Kulisse: Viel mehr wird Dortmund zumindest in den ersten beiden Folgen, die ab März gedreht werden, nicht sein. Zwar verrät der WDR keine Details der Handlung. Doch Drehbuchautor Jürgen Werner hat einige der vier neuen Kommissarinnen und Kommissare zumindest in seinen ersten Skizzen so gezeichnet, wie sich der Rest der Republik den typischen Dortmunder wohl vorstellt.

Der vom WDR in Dortmund als „vierter Mann“ mit viel Medienrummel präsentierte Stefan Konarske etwa, mit dem Detlev Buck „Same, same but different“ und Leander Haußmann „NVA“ gedreht hat, spielt den Polizeioberkommissar Daniel Kossik. Der hat, obwohl erst Anfang Dreißig, eine Laube im Schrebergarten stehen. Natürlich hat Kossik eine Dauerkarte von Borussia Dortmund, natürlich war sein Vater auf Zeche. Sein Bruder soll ein arbeitsloser „Grubenarbeiter“ sein, heißt es im Pressetext – was im Ruhrgebiet natürlich niemand jemals so sagen würde: Im Revier heißen Bergleute Bergleute – oder Kumpel.

Krimis am Fließband

Grund dafür ist die Fließbandarbeit, mit der die Krimis produziert werden: Autor Werner hat auch schon die Drehbücher von „Tatort“-Folgen aus Münster und Ludwigshafen geschrieben. Von den Hauptdarstellern stammt lediglich Jörg Hartmann, der Chefermittler Peter Faber spielen wird, aus der Region – doch sein Heimatort Herdecke hat mit Dortmunder Brennpunkten wie der Nordstadt etwa soviel gemeinsam wie Potsdam mit Berlin-Marzahn.

Anna Schudt, die Fabers Kollegin Martina Bönisch besetzt, ist Münchenerin. Und Aylin Tezel, die im ostwestfälischen Bünde geboren und in Bielefeld aufgewachsen ist, war noch nie in der Nordstadt – dabei wird sie die dort geborene Kommissarin Nora Delay spielen.

Doch aus Kostengründen wird ein Großteil des Films sowieso in Köln gedreht – alle Innenaufnahmen entstehen am Rhein. „Film kostet Geld“, sagt Gebhard Henke, der beim WDR Leiter des Programmbereichs „Fernsehfilm, Kino und Serie“ und - vielleicht noch wichtiger - „Tatort-Koordinator“ der ARD ist: „Und Geld, das sind Ihre Gebühren.“

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15 Kommentare

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    Kai B.

    Innenaufnahmen in Köln sind durchaus sehr sinnvoll und die Herkunft von Schauspielern oder Autoren ist doch absolut unbedeutend. Man wird Profis in dem Bereich ja wohl zutrauen können trotzdem eine entsprechende Leistung abzuliefern. Vorbereitungen auf Rollen und Recherche zum Schreiben gehören zum Beruf dazu daher muss man kein ehemaliger Polizist sein um einen Tatort zu schreiben oder selber die Eigenschaften seiner Rolle besitzen (z.B. Serienkiller, Krebspatient, Homosexuell, Nazi etc.).

     

    Meine Familie stammt aus dem Ruhrgebiet, ich habe dort meine gesamte Kindheit/Jugend verbracht und auch Jahre in Dortmund gelebt. Ich bin gespannt auf den Tatort und freue mich darauf. Das auch "Klischees" bedient werden finde ich durchaus ok und gut. Auch wenn das Ruhrgebiet zu großen Teilen eine ganz "normale" Metropole wie Berlin, Paris oder London ist gibt es die unglaubliche Fußballverrücktheit, die Schrebergärten, Kioske, Pils, die Bergbaufamilien und die Industrieruinen ebenso wie die Werbeagenturen, Theater, Museen, Latte-Macchiato, Sushibars und Parks. Eine ganz normale Metropole mit regionalen Eigenarten, Einflüssen aus verschiedenen Kulturen und globalem "Einheitsbrei" (Fast-Food-Ketten, Coffee-to-go etc.)

  • H
    Horsti

    Veräppeln lassen kann man sich ja auch günstiger.

     

    Ein erneuter, authentischer Ruhrgebiets-Tatort wäre mal was. Aber es ist ja schon seit vielen Monaten bekannt, dass der WDR und die ARD dies scheuen.

     

    So viel teurer wäre es gar nicht. Und allein der Wohlfühlfaktor dabei wäre größer. Aber es ist eben kein echter Ruhrpott-Tatort. Es bleibt eine typische Fernsehproduktion. Obwohl es "so viel mehr" hätte werden können.

     

    Ich warte aber auch nur auf die ersten Stellungnahmen der Produzenten, die alle Kritiker abbügeln, weil "es noch niemand bislang gesehen hat". Bullshit. Ein echter Ruhrgebiets-Tatort muss auch im Ruhrgebiet produziert werden. Allein schon mal als Signal, dass man Geld in die Kreativregion steckt. Aber das will man in den vermeintlichen Metropolen Köln, Berlin, Hamburg und München kaum.

  • TF
    Tom Fiege

    Ich stehe dem Tatorts aus Dortmund, schon vor der Erstausstrahlung, kritisch gegenüber. Die Drehbuch-Rezepte die in Münster und Ludwigsburg funktionieren lassen sich nicht auf Dortmund übertragen. 3 "Tatorte" vom selben Drehbuchautor, nicht gut für die Vielfalt. Die Kritik, dass nicht viele Akteure aus dem Revier einbezogen wurden teile ich absolut. Dem Ruhrgebiet wird immer von außen etwas übergestülpt, hier ist es ganz anders: vielschichtiger und klischeefreier als es in den meisten Medien dargestellt wird. Und hier gibt es sehr gute Schauspieler, Autoren und Regiesseure

    Warum nicht ein Tatort über das ganze Ruhrgebiet? Hier merkt man soweiso nicht wann die nächste Stadt beginnt. Eine Hälfte des Hauses steht in Dortmund und die andere in Witten. Was ist, wenn die Leiche mit dem Kopf in Witten, und mit dem Rest in Dortmund liegt?

    Ich habe ein Traumduo für einen "Tatort Ruhrgebiet": Hilmi Sözer und Maja Beckmann. Beide stehen sehr gut für diese Region. Hilmi Sözer hat in Duisburg-Rheinhausen mit dem Theater angefangen und Maja Beckmann ist in Bochum am Schauspielhaus engagiert. Das wäre was. Und dann Autoren die sich wirklich hier auskennen: Marc Degens, Johannes Rotter u.v.a. Herausragende Stoffe liefert auch der wunderbare, leider verstorbene Autor Michael Klaus aus Gelsenkirchen. Ein Tatort dort, wäre übrigens wirklich mal ein Experiment gewesen. Der WDR kennt das Ruhrgebiet nicht und ignoriert diese Region im Fernsehen und besonders im Radio. Die NRW Kultursendung Scala auf WDR 5 berichtet über jede Kleinigkeit in Köln und Umgebung, die Kulturszene im Ruhrgebiet kommt immer zu kurz.

  • RS
    Rolf S.

    @Redaktion

     

    Und wetten, dass Ihr euch persönlich angepi**t fühlt und deshalb meinen Kommentar -selbstverständlich- nicht freigebt? ;)

  • RS
    R. Schäfer

    Das Problem sind diese wenigen hundert Spinner aus der Medienszene, von denen ich, selber der Medienszene verbunden, einige kenne.

     

    Die meisten von ihnen kommen ursprünglich aus dem Ruhrgebiet, haben dieses hassen gelernt und zogen nach dem Studium in Bochum, Dortmund oder Essen dann in ihr Mekka Berlin, Hamburg oder Köln.

     

    Dort besetzten Sie Posten in den Redaktionen der Sender und Printmedien und sorgen seither dafür, dass die verhasste alte Provinzheimat möglichst negativ und traditionell dargestellt wird. In Köln sind Leute stylish, in Dortmund oder Essen sind sie Prolls.

     

    Wie lächerlich und unprofessionell ihr da gegen eure eigene Heimat agiert, ihr medialen Flachpfeifen...

  • W
    wespe

    „Film kostet Geld“, sagt Gerhard Henke, der beim WDR Leiter des Programmbereichs „Fernsehfilm, Kino und Serie“ und - vielleicht noch wichtiger - „Tatort-Koordinator“ der ARD ist: „Und Geld, dass sind Ihre Gebühren.“ >>

     

    WENN ich gute Gebühren zahle, dann will ich auch eine gute Gegenleistung, sprich: einen guten Film. Und ob Innendrehs am gedachten Aussenort stattfinden, ist Jacke wie Hose. Diese Täuschung ist ein akzeptables Element des Films - und es wird dem Zuschauer in diversen Filmen bei Aussenaufnahmen vorgegaukelt, er befände sich an einem anderen Ort.

  • P
    Philipp

    "Geld, das sind unsere Gebühren". Stimmt! Und dafür wollen wir was haben. Nämlich ein tolles Programm. Statt an der Qualität zu sparen, könnte vor allem ARD und ZDF mal ihren bürokratischen Wasserkopf entrümpeln, aufhören der Bundesliga, Fifa und anderen zweifelhaften Organisationen, Jauch und Gottschalk Unsummen hinterherzuwerfen und stattdessen die frei gewordenen Millionen in gute Drehbücher, gute Schauspieler und innovative Programmkonzepte zu investieren.

    Bundesliga (die ich gerne sehe), das können die privaten Sender machen.

  • DS
    Der Schreiber

    Ich finde es ein wenig überzogen das man so da rauf rumreitet das nur einer der Schauspieler wirklich aus dem Ruhrgebiet stammt. Die gesamte Besetzung der Lindenstraße ist nicht Bayerisch. Auch hat sich nie jemand beschwert als Heinz Rühmann den Berliner Hauptmann von Köpenick spielte.

    Das ist ja der Beruf eines Schauspielers, eine Rolle glaubwürdig zu spielen.

  • EP
    Eric Peters

    Ich kann die Kritik, die hier mitschwingt, nicht so richtig nachvollziehen. Film ist doch immer Fiktion. Es ist doch egal, ob die Schauspieler aus Dortmund kommen oder nicht, wichtig ist doch die Geschichte, die der Tatort erzählt.

    "Gedreht wird sowieso in Köln" - na und? Sollen für Innenaufnahmen Räumlichkeiten in Dortmund gemietet werden nur damit man hinterher sagen kann, dass man in Dortmund gedreht hat? Ich finde es nicht verkehrt, die Studioinfrastruktur zu nutzen, die in Köln nunmal vorhanden ist.

  • S
    sanglier

    hardenberg-verlaghaus?

    helmut wehner?

    warun eigentlich

    noch gut recherchieen??

    zu anstengend?

    zu teuer?

  • T
    Thanner

    Oh ja, 'Kumpel' heisst es ...aber dann bitte auch 'Gebhard', denn so heisst beim WDR der Tatort-Chef mit Vornamen.

    Aber vor allem: Vielleicht wird es ein richtig guter Tatort, obwohl die Schauspieler nicht aus der Region kommen. Axel Prahl ist nicht aus Münster, Schweinsteiger war früher Skifahrer - und Karl May nie in Amerika.

    Ich seh keinen Anlass, jetzt schon zu nörgeln, dabei gab es den Tatort ja auch für Journalisten noch gar nicht zu sehen, oder? Herkunft sollte da jetzt nicht sooo die Rolle spielen...

  • T
    Tomate

    Was sagt uns das?

    Ist es ein Tatort-Dortmund spezifisches Phänomen, dass die Schauspieler nicht die Biographie und der Wohnort der verkörpteren Alter-Egos teilen?

     

    Das Filme in Studios und nicht an den im Film gezeigten Schauplätzen gedreht werden, ist doch kein Geheimnis. Die Innenszenen von Das Boot wurden mit Sicherheit auch nicht mitten auf dem Atlantik gedreht.

  • JD
    Jon Doe

    Dass Außenstehenden zum Ruhrgebiet nur Klischees einfallen, war zu erwarten, macht das Ganze aber keinen Deut weniger peinlich. Ich kenne weder einen Schrebergartenbesitzer noch einen einzigen ehemaligen Bergmann und ich glaube meine Freunde auch nicht. Wer nach Dortmund, Essen, Bochum, etc. kommt findet stinknormale Großstädte mit normalen Menschen, hie und da zugegebenermaßen ein wenig angerostet aber Land unter, wie die Darstellung von außen nicht selten zu vermitteln versucht, ist hier nicht.

     

    Aber schön dass auch die taz mal wieder ein paar Worte zum Pott verliert. In Berlin, Hamburg und Köln geht ja soviel mehr. Naja, das dachte sich zumindest auch der WDR...

  • LW
    Lukas W.

    Wer, bitte, ist Helmut Wehner?

  • AB
    Achim B.

    »Mahrzahn«? Sicher?