Erste Palästinenserin in der Knesset: Arabisch, weiblich, einmalig
Erstmals ist eine Frau über eine arabische Liste ins israelische Parlament eingezogen. Hanin Soabi möchte sich um die Arbeitslosigkeit von Palästinenserinnen kümmern
Hanin Soabi tritt ihren neuen Posten als Knesset-Abgeordnete ohne Illusionen an. Dass es wieder eine rechte Regierung in Israel geben wird, macht dabei nur das Tüpfelchen auf dem i aus. "Wir stehen außerhalb des israelischen Konsenses", sagt die Palästinenserin mit israelischer Staatsbürgerschaft.
Etwas verloren steht sie dort, als sie den Treueschwur auf den Staat leistet, zwischen einer Menora und der Fahne Israels. Zum Schluss singen alle die "Hatikwa", die Nationalhymne - alle außer Soabi und den zehn anderen Palästinensern in der Knesset. Drei davon stellt Soabis Liste Balad. Sie ist die erste Frau, die auf dem Ticket einer arabischen Liste in die Knesset einzog. "Es ist, als würden wir nicht existieren", sagt sie.
Die 39-jährige Schülerin Asmi Bisharas, des wegen Spionageverdachts flüchtigen ehemaligen Chefs der Partei, ist wütend. Sie fordert die Anerkennung der historischen Ungerechtigkeit von 1948, als "700.000 meines Volkes rausgeschmissen wurden". Die Landenteignungen müssten ein Ende haben und das Rückkehrrecht für Juden abgeschafft werden. "Ein Judenstaat ist ein Staat der Apartheid per Definition."
Mit derart scharfen Tönen schafft sie sich wenig Freunde in Israel. Anzuecken ist sie allerdings gewohnt. Während ihres Studiums an der Hebräischen Universität in Jerusalem war sie nicht nur die einzige Frau ihres Jahrgangs im Fachbereich Medienwissenschaften, sondern auch die einzige Araberin. "Ich musste nur sagen, dass ich Palästinenserin bin, schon hassten mich alle, auch die Dozenten." Wäre sie Jüdin, hätte sie längst ihr Doktorat, sagt sie beeindruckend selbstbewusst - oder wäre vielleicht schon Uni-Chefin. Soabi redet sich in Schwung. "Ich könnte heute Regierungschefin sein", ruft sie, wäre Israel der "Staat aller Bürger", den sie propagiert. "Na schön, ich bin Abgeordnete", räumt sie ein, "aber kriege ich deshalb mein Land zurück?"
Alle zwei Minuten geht das Telefon. Sie schimpft, sie müsse sich um alles allein kümmern, dabei hat sie schon nach kurzer Zeit ihre parlamentarische Hilfskraft entlassen. Mit 39 Jahren unverheiratet zu sein ist für eine palästinensische Frau ungewöhnlich. Soabi lebt im Haus ihrer Eltern, der Vater ist Jurist, die Mutter Mathematiklehrerin.
"Sie wollen den guten Araber", zischt sie. "Einer, der sich ständig dafür bedankt, dass er hier leben darf." Darauf müsste man bei Soabi lange warten. Sie wird sich weder entschuldigen noch sich bedanken, sie will eine "authentische Stimme" sein, ohne Angst. Trotzdem will sie nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, sondern klein anfangen. "Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit unter palästinensischen Frauen" steht als Erstes auf ihrem Plan.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles