Erste Bilanz zu Schlichtungsstellen: Zum Schlichter statt zum Richter
Viele Branchen haben Ombudsleute, an die sich Kunden bei Streitigkeiten mit Unternehmen wenden können. Gerichte werden entlastet.
Berlin taz | Von Ärger beim Ferienflug ist in diesen Tagen viel zu hören. Verschwundenes Gepäck oder verpasste Anschlussflüge sind zwei der häufigsten Probleme. Auch die Bahn ist häufig unpünktlich. Dumm, wenn der Fahrgast nicht nachweisen kann, dass er aufgrund einer zu späten Ankunft eine Entschädigung beanspruchen kann. Das sind Situationen, in denen es zum Streit zwischen Verbraucher und Unternehmen kommt. Es sind daher auch typische Fälle für die zuständigen Schlichtungsstellen, von deren Existenz viele Verbraucher noch gar nichts wissen.
Für Reisende sucht die Schlichtungsstelle Öffentlicher Personenverkehr (SÖP) nach einem Kompromiss der beteiligten Parteien. Rund 15.000 Kunden beschwerten sich im vergangenen Jahr bei den 18 Mediatoren. Ist die Eingabe begründet, holt das SÖP eine Stellungnahme des betroffenen Unternehmens ein und schlägt dann eine Lösung vor. In vier von fünf Fällen akzeptieren beide Seiten den Vorschlag.
Der Vorteil eines Schlichtungsverfahrens liegt für die Bundesregierung auf der Hand. „Schnell, einfach, kostengünstig: Schlichtung ist bei Verbraucherstreitigkeiten eine gute Alternative zum gerichtlichen Verfahren“, sagt Justizministerin Katarina Barley (SPD). Vor zwei Jahren hat die Regierung die Arbeit der Ombudsleute gesetzlich geregelt und nun erstmals eine Bilanz gezogen. Die Statistik zeigt, dass sich diese Art der Konfliktlösung langsam herumspricht. 68.538 Anträge gingen bei den mittlerweile 25 Schiedsstellen 2017 ein. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies einem Zuwachs um 11 Prozent.
Einige Ombudsleute arbeiten schon lange. Dazu zählen die Schlichter der Versicherungsgesellschaften und Banken. Auch die SÖP oder die für Ärger mit Telekommunikationsfirmen und Postdienstleistern zuständige Bundesnetzagentur kennen mittlerweile viele Verbraucher. Doch kaum jemand kennt die Schlichtungsstellen für Immobilien, die für Bausparer oder die für Besitzer von Investmentfonds. Weitere Einrichtungen sollen nach dem Willen der Bundesregierung dazukommen. „Schlichtung ist immer eine Win-win-Lösung“, wirbt Barley für eine Ausweitung.
Die meisten Anliegen der Verbraucher sind berechtigt
Für die Verbraucher ist das Verfahren in der Regel kostenlos und kann via Internet auf den Portalen der Ombudsleute angestoßen werden. Nur bei missbräuchlichen Beschwerden wird zuweilen eine Gebühr erhoben. Wie die beteiligten Parteien mit dem Schlichterspruch umgehen, ist unterschiedlich. Der Ombudsmann der Versicherer darf bis zu einem Streitwert von 10.000 Euro ein für die Unternehmen verbindliches Urteil fällen. In anderen Branchen kann der Vorschlag auch abgelehnt werden.
Die meisten Beschwerden kommen von Versicherungskunden und Reisenden. Die stärkste Steigerung verzeichnete die Bundesnetzagentur bei Beschwerden von Postkunden, deren Zahl sich im vergangenen Jahr mit gut 1.000 mehr als vervierfacht hat. Die meisten Anliegen der Verbraucher sind berechtigt. Nicht einmal jede fünfte Eingabe wurde abgelehnt. Wenn es dazu kam, dann in der Regel wegen der fehlenden Zuständigkeit oder weil der Kunde sich zuvor nicht schon direkt an das betreffende Unternehmen gewandt hat.
Allerdings registriert das für Schlichtungsstellen zuständige Bundesamt für Justiz (BfJ) auch eine negative Entwicklung. Postunternehmen ziehen sich aus dem Schlichtungsverfahren zurück. Nicht einmal jede zweite Branchenfirma nimmt daran teil, mit sinkender Tendenz. Auch Handelsunternehmen drücken sich mit Hinweis auf dort verbreitete Kulanzregelungen um eine Teilnahme herum. So bleibt die erste Bilanz der Schlichtungsstellen zwiespältig.