Ersatz für den Zivildienst: Freiwillige vor!
Familienministerin Schröder möchte 35.000 Menschen für den Freiwilligendienst gewinnen. Ab Sommer 2011 soll es losgehen. Den Kritikern geht der Vorschlag nicht weit genug.
BERLIN taz | Die schwarz-gelbe Koalition will nach der geplanten Aussetzung der Wehrpflicht jährlich 35.000 Menschen für den neuen Bundesfreiwilligendienst gewinnen. Das Angebot stehe allen Bürgern ohne Altersbegrenzung offen, erklärte Familienministerin Kristina Schröder (CDU) am Donnerstag bei der Vorstellung des Konzepts. Ab Sommer 2011 soll der Dienst den bisherigen Zivildienst ablösen.
Familienministerin Schröder hofft, mit dem neuen Dienst den Wegfall des Zivildienstes wenigstens teilweise ausgleichen zu können. "Es gibt die Chance, eine Kultur der Freiwilligkeit in Deutschland zu etablieren", sagte sie. Geplant ist, künftig auch Plätze in den Bereichen Integration, Sport und Kultur anzubieten.
Um die bestehenden Jugendfreiwilligendienste wie das Soziale und das Ökologische Jahr, die von den Ländern organisiert werden, nicht zu gefährden, stellt der Bund den Ländern dafür künftig mehr Geld zur Verfügung: Statt 72 Euro sollen es pro Platz und Monat 200 Euro sein. Für den neuen Dienst wird es ein monatliches Taschengeld von höchstens 324 Euro im Westen und 273 Euro im Osten geben. Dazu kommt Geld für Wohnung, Essen und Sozialversicherung.
Insgesamt stellt der Bund 350 Millionen Euro im Jahr für alle Freiwilligendienste zur Verfügung, deutlich weniger als bisher für den Zivildienst. Wie die Regierung den neuen Dienst schmackhaft machen will, ist noch nicht geklärt. Im Gespräch sind derzeit Anrechnungen bei der Rente und bei Wartezeiten für das Studium.
Für den Freiwilligendienst können sich alle Männer und Frauen nach dem Ende der Schulpflicht bewerben. In der Regel soll er zwölf Monate dauern, mindestens aber 6 und höchstens 24 Monate. Prinzipiell soll der Dienst für unter 27-Jährige als Vollzeitstelle angeboten werden. Schröder erwartet, dass jeder fünfte Platz von Menschen im Rentenalter besetzt wird. Um auch diese anzusprechen, ist für Interessierte über 27 auch ein Teilzeitdienst mit mindestens 20 Wochenstunden möglich. So soll sichergestellt werden, dass ehrenamtliches Engagement nicht verdrängt werde.
Der Caritasverband begrüßt das Konzept als gute Lösung für den Wegfall des Zivildienstes. "Wichtig ist uns auch, dass der neue Dienst für alle Generationen offensteht", sagte Sprecherin Barbara Fank-Landkammer der taz.
Die Zuständigkeit soll beim bisherigen Bundesamt für Zivildienst liegen, das umbenannt wird. Wegen des Wegfalls ihrer Kernaufgabe steht die Behörde vor drastischen Veränderungen.
"Da werden krampfhaft neue Aufgaben für das Bundesamt für Zivildienst gesucht", kritisiert Kai Gehring, jugendpolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion. Es bestünde die Gefahr, dass der neue Dienst die bewährten Jugendfreiwilligendienste verdränge und zu deutlich mehr Bürokratie führe. "Man hätte stattdessen mehr sozialversicherungspflichtige Stellen im Sozialbereich schaffen sollen", sagte Gehring zur taz.
Die SPD kritisiert, dass es weiterhin eine Doppelstruktur bei den Freiwilligendiensten zwischen Bund und Ländern geben werde. "Schade, dass nicht der große Wurf gelungen ist. Es gab die Chance für eine umfassende Reform", so Sönke Rix, der in der Bundestagsfraktion für Freiwilligendienste zuständig ist. Statt des neuen Konzeptes hätte man die bestehenden Jugendfreiwilligendienste stärken sollen. (mit epd und dpa)
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