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Erörterungstermin zur ElbvertiefungGeteilte Meinungen

Beim Erörterungstermin in Hamburg werden die Bedenken von rund 7.200 Einwendern erörtert. Die meisten finden, der geplante Fahrrinnenausbau stehe in keinem Verhältnis zu den Folgen für Umwelt und Deichsicherheit.

Demo zu Wasser: Vor der Werft vis-à-vis des ehemaligen Fischerdorfes Blankenese protestieren Elbfischer gegen die Fahrrinnenvertiefung. Bild: DPA

Die Vorbereitungen für eine weitere Elbvertiefung sind in ein entscheidendes Stadium getreten. Im Hamburger Kongresszentrum (CCH) ist am Donnerstag damit begonnen worden, die rund 7.200 Einwände gegen das Vorhaben zu erörtern. Vor dem Eingang machte sich ein breites Spektrum von Kritikern mit einer Kundgebung Luft: Umweltschützer, Fischer, Marschbewohner. Ein Grüppchen Hafenarbeiter hielt dagegen. Hier die wichtigsten Streitpunkte:

Tiefgänge

Pro Elbvertiefung: Die Containerschiffe sind in den vergangenen Jahren immer größer geworden und damit auch ihre konstruktionsbedingten Tiefgänge. Reeder wollen ihre Schiffe möglichst voll beladen. Können sie das nicht, wird der Hamburger Hafen weniger attraktiv.

Nach Angaben der Hamburger Wirtschaftsbehörde war 2008 bei mehr als 80 Prozent der großen Containerschiffe, die den Hafen anliefen, der Konstruktionstiefgang größer, als es die Elbfahrrinne zulässt. Diese Schiffe können nicht einmal mit der Flutwelle voll beladen ein- oder auslaufen. Sie transportierten 52 Prozent aller Ladung.

Contra Elbvertiefung: Die Reeder nutzen die möglichen Tiefgänge gar nicht aus. Nur 3,4 Prozent aller 12.500 Containerschiffe gingen 2006 tatsächlich so tief, dass sie den Hafen nur unter Ausnutzung der Tide erreichen und verlassen konnten, sagt der Verein "Rettet die Elbe". Die Behörde vermutet, dass das aus Gründen der Flexibilität geschah, denn das Tidefenster ist schmal.

Schiffsgrößen

Immer tiefer gehende Schiffe

Die Elbe ist zum letzten Mal 1999/2000 vertieft worden. Im Gegensatz zu damals ist es dem Hamburger Senat heute noch nicht gelungen, Niedersachsen auf seine Seite zu ziehen. Der für Hamburg besonders interessante Containerumschlag ist seit 1999 mit knapp zweistelligen Raten gewachsen. Heute wie damals ist umstritten, wie wichtig der Tiefgang für das Wachstum ist und ob die ökologischen und ökonomischen Kosten einer Vertiefung vertretbar sind. Nach der Vertiefung sollen Schiffe mit einem Tiefgang von bis zu 13,50 Metern (im Salzwasser) die Elbe ohne Rücksicht auf die Tide befahren können. Heute gilt das nur für einen Tiefgang bis 12,50 Meter. Mit der Flutwelle sollen die Schiffe künftig bis zu 14,50 Meter tief gehen können. Das entspricht einem Schiff mit bis zu 9.000 Standardcontainern (TEU). Schon heute befahren noch größere Schiffe die Weltmeere. Sie können mehr als 12.000 Container laden und sind bis zu 400 Meter lang. KNÖ

Pro: Die derzeit größte gängige Schiffsklasse mit bis zu 14.50 Metern Tiefgang wird auf absehbare Zeit für den Langstreckenverkehr typisch bleiben. Bei noch tiefer gehenden Schiffen brechen die Containerstapel ein. Ihr Rationalisierungseffekt schwinde, weil sie nur wenige Häfen anlaufen und nur schwer ausgelastet werden könnten. Die Vertiefung soll deshalb auf diesen Schiffstyp ausgelegt werden.

Contra: Das ist richtig und ein Grund dafür, es bei der heutigen Tiefe zu lassen. Denn ausgenützt wird der Tiefgang ja schon heute nicht. Der Hamburger Hafen mit seiner Lage weit im Binnenland ist zudem so attraktiv, dass Reeder Tiefgangsbeschränkungen in Kauf nehmen.

Arbeitsplätze

Pro: Mehr als 160.000 Arbeitsplätze sind direkt und indirekt vom Hamburger Hafen abhängig. Er ist der zweitgrößte Arbeitgeber Niedersachsens.

Contra: Direkt im Güterumschlag arbeiten nur rund 5.000 Menschen. Nach einer Studie im Auftrag des Umweltverbandes WWF verlagern sich die Arbeitsplätze vom Hafenstandort weg ins Hinterland. Gefordert sei deshalb eine geschickte Zusammenarbeit der norddeutschen Häfen. Ob Wilhelmshaven, Bremerhaven oder Hamburg für Beschäftigung sorgt, kann den Niedersachsen gleich sein.

Baggerei

Pro: Mit einem neuen Tidemanagement lässt sich der Unterhaltungsbaggerei Herr werden und der ökologische Zustand der Elbe sogar verbessern. Seit der letzten Elbvertiefung ist die Menge an Sediment, die aus der Hamburger Fahrrinne gebaggert werden muss, stark gewachsen. Das liegt wohl am stärkeren Flutstrom. Die Wasserbauer wollen dem mit künstlichen Inseln im Mündungstrichter der Elbe und Rückdeichungen begegnen.

Contra: Die Explosion der Baggermengen zeigt, dass die Tideelbe schon gefährlich weit verändert worden ist. Eine weitere Vertiefung würde den hoffnungsvollen Ansatz des Tidemanagements konterkarieren.

Ökologie

Pro: Der Hafen liegt 100 Kilometer im Binnenland. Jeder Kilometer, den eine Ware per Schiff zurücklegt, ist gut für die Umwelt. Denn für 4.000 Container müssten rund 3.200 Laster oder 80 Züge rollen. Die ökologischen Folgen der Elbvertiefung werden auf 600 Hektar ausgeglichen.

Contra: In den Planungsunterlagen steht nicht, wie der Ausgleich konkret aussehen soll. Mit der Vertiefung werden wie beim letzten Mal Flachwasserzonen verlanden und damit Lebensräume für seltene Vögel verschwinden. Schon nach der jüngsten Vertiefung hat die Zahl der Tage mit sehr wenig Sauerstoff in der Elbe stark zugenommen. Es droht ein Fischsterben.

Deichsicherheit

Pro: Die lokalen Deichverbände an der Unterelbe müssen nicht mehr für die Erhaltung der Deiche und des Vorlandes aufkommen. Mit einem "Deichtausch" übernimmt diese Verpflichtung künftig der Bund.

Contra: Das ändert nichts daran, dass die Elbe die Deiche bedroht. Wegen der erhöhten Strömungsgeschwindigkeit ist bei Otterndorf das den Deich schützende Vorland schmaler geworden. Außerdem drohen Sturmfluten höher aufzulaufen. Das Wasser und Schifffahrtsamt behauptet, nach der jüngsten Vertiefung hätten sich die Wasserstände nur minimal erhöht.

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