Ermordung von saudischem Journalisten: „Verspottung von Gerechtigkeit“

Nach den Urteilen eines saudischen Gerichts im Mordfall Khashoggi hagelt es Kritik. Eine wirkliche Aufklärung der grausamen Tat stehe noch aus.

Eine Frau hält ein Foto von Jamal Khashoggi

Protest vor der saudischen Botschaft in Paris am 25. Oktober 2018 Foto: Aurelien Morissard/imago

BERLIN taz | Saudi-Arabiens Justiz sieht die Sache als beendet an, doch viele Fragen bleiben offen, wie BeobachterInnen des Prozesses um die Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi am Montag und Dienstag kritisierten. Ein Gericht in Riad hatte in dem Fall am Montag abschließend geurteilt: Fünf Todesurteile, die im Dezember verhängt worden waren, wandelte es in Haftstrafen von 20 Jahren um. Gegen drei weitere Angeklagte wurden Haftstrafen zwischen sieben und zehn Jahren verhängt.

Khashoggis einstige Verlobte, die Türkin Hatice Cengiz, sprach nach dem Urteil von einer „Verspottung von Gerechtigkeit“. „Die saudischen Behörden schließen den Fall, ohne dass die Welt weiß, wer für die Ermordung Jamals verantwortlich ist“, teilte sie mit. Und fragte: Wer hat den Mord in Auftrag gegeben? Wer hat ihn geplant? Und wo ist die Leiche geblieben?

Khashoggi war im Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul ge­tö­tet worden. Erst Wochen später räumte Riad ein, dass er ermordet wurde. In der Zwischenzeit hatte der türkische Geheimdienst ausgewählten Medien Informationen zugespielt und Saudi-Arabien auf diese Weise in Erklärungsnot gebracht.

Aufgeklärt ist der Fall mit den Urteilen vom Montag aber nicht. Sie „haben keine rechtliche oder moralische Legitimität“, kritisierte die UN-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard, die den Fall monatelang untersucht hatte, aber keine Schuldigen benannte. Die Urteile kämen „am Ende eines Prozesses, der weder fair noch gerecht oder transparent war“. Callamard kritisierte, dass die Verantwortung des Kronprinzen Mohammed bin Salman (MBS) gar nicht erst geprüft worden sei. Von den US-Geheimdiensten forderte sie, ihre Informationen zu veröffentlichen.

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Die für ihre Nähe zur saudischen Führung kritisierte Tageszeitung al-Sharq al-Awsat dagegen zitierte am Dienstag den Anwalt der Familie Khashoggi, der die Urteile lobte. Es handele sich um „gerechte Urteile“, die abschreckend wirkten auf andere Kriminelle.

Zweifel an saudischer Darstellung

Politisch dürften die Urteile wenig ändern. Schon im Dezember hatte die saudische Staatsanwaltschaft betont, dass die Entscheidung, Khashoggi zu töten, erst im Konsulat in Istanbul gefallen sei. Dieser Erklärung folgend kann niemand, auch nicht die Führungsebene in Riad, vorher von der Tat gewusst haben.

KritikerInnen zweifeln allerdings an dieser Darstellung. Beweise, dass MBS die Tat angeordnet oder von ihr gewusst hat, konnte aber niemand vorlegen. Derzeit läuft noch ein Prozess in der Türkei gegen zwanzig saudische Staatsbürger. Das Gericht in Istanbul verhandelt gegen sie jedoch in Abwesenheit.

Der Mord hatte Saudi-Arabiens Ruf international erheblichen Schaden zugefügt. Mittlerweile ist das Königreich aber weitgehend rehabilitiert – auch aufgrund von US-Präsident Donald Trump, der die saudische Führung von Beginn an in Schutz nahm.

Zuletzt zeigte sich Riad außerdem offen für eine Annäherung der Golfstaaten an Israel, womit das Königreich den USA deutlich entgegenkam und auch in Europa punkten konnte. Saudi-Arabien gestattete es Flugzeugen auf dem Weg von Israel in die Vereinigten Arabischen Emirate und zurück, den saudischen Luftraum zu nutzen.

Deutschland hatte nach dem Mord an Khashoggi einen Rüstungsexportstopp nach Saudi-Arabien verhängt, der seither mehrfach verlängert wurde. Nach jetzigem Stand will die Bundesregierung bis Jahresende keine neuen Lieferungen in das Königreich genehmigen.

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