Ermittlungen: Vattenfall verweigert Dienstplan-Einsicht
Polizei im AKW, Rücktrittsforderungen in Kiel, Strafanzeige gegen Vattenfall - die Störfälle in zwei Meilern sorgen für neue Aufregung.
KIEL/ BERLIN taz Gestern eskalierte die Situation: Am Vormittag rückten Polizei und Staatsanwaltschaft im abgeschalteten Atomkraftwerk Krümmel ein. Nach Angaben des Lübecker Oberstaatsanwaltes Klaus-Dieter Schultz hat sich der Betreiber, die Vattenfall, geweigert, die Personalien eines Reaktormitarbeiters herauzugeben, der als Zeuge befragt werden sollte. Daraufhin sei ein Durchsuchungsbeschluss beim Amtsgericht Schwarzenbek erwirkt worden.
Dabei hatte es zuvor nach Entspannung ausgesehen: Am Donnerstag hatte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) noch erklärt: "Vattenfall hat eingelenkt." Bis dahin hatte sich der Konzern nämlich geweigert, die Namen des Reaktorfahrers und des Schichtleiters preiszugeben, die während des Transformatorbrandes im AKW Krümmel am 28. Juni Dienst hatten. Vattenfalls Begründung für diese Weigerung: Würden Namen bekannt, wären die Betreffenden dem Medieninteresse ausgesetzt.
Zum Hintergrund: Am 28. Juni hatten Reparaturarbeiten an einer Schaltanlage im AKW Brunsbüttel kurz nach 13 Uhr einen Kurzschluss verursacht, der zur automatischen Schnellabschaltung des Reaktors führte. Aufgrund von Spannungsverlusten im Stromnetz fielen in Hamburg daraufhin hunderte Ampeln aus, Züge blieben stehen. Knapp zwei Stunden später brannte der Transformator in Krümmel.
Daraufhin verlangte Gabriel Aufklärung - und versprach: "Uns geht es nicht darum, Schuldige zu finden, uns geht es darum, Abläufe zu rekonstruieren." Das scheint nötig. Schließlich, so hieß es, waren in der Schaltwarte des Kraftwerks zeitweise 25 Mitarbeiter anwesend gewesen. Gabriel: "Das lässt nicht auf ein ordentliches Verfahren schließen."
Nun aber sollte alles aufgeklärt werden, und ursprünglich hatte Vattenfall für gestern einen Abschlussbericht der Vorfälle in seinen beiden AKWs Krümmel und Brunsbüttel angekündigt. Doch dass der Abschlussbericht tatsächlich eine Klärung bringen kann, glaubt spätestens seit Donnerstagnachmittag niemand mehr. Denn: Vattenfall musste sogar noch eine weitere Panne einräumen: "Nach Angaben des Betreibers wurde am 11. Juli 2007 eine Leckage im Turbinenbereich festgestellt", teilte die Kieler Atomaufsicht mit. Weiter heißt es: "Der Fehler wird als übertragbar auf vergleichbare Komponenten angesehen, für die umgehend aus Sicht der Reaktorsicherheitsbehörde eine Inspektion vorzusehen ist."
Angesichts dieses Schlamassels beschäftigte sich am Freitag der Landtag in Kiel mit den Ereignissen in Krümmel und Brunsbüttel. Dabei zeigte sich, dass die für die Atomaufsicht zuständige Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) zunehmend unter Druck gerät. Die SPD-Politikerin sprach ausführlich über die bislang rekonstruierten Abläufe. Mehrmals nannte Trauernicht Vattenfall "unzuverlässig". Heiner Garg (FDP) griff sie an und nannte sie "Ministerin für Reaktorunfälle". Die eigentlichen Fragen seien nicht beantwortet: "Was haben Sie getan, welche Konsequenzen werden Sie ziehen?" Garg riet Trauernicht: "Suchen Sie sich einen bequemen Platz auf den Hinterbänken - treten Sie zurück." Manfred Ritzek von der CDU erklärte, die schlechte Informationspolitik und die Ereignisse seien "gravierend". "Kernkraft ist auch für meine Partei nur akzeptabel, wenn der Betrieb sicher ist."
Der Kieler Landtag verlangt nun, den Entzug der Betriebserlaubnis für Vatttenfall zu prüfen. Dies wird in einem Antrag der CDU und SPD gefordert. Grüne und FDP scheiterten mit Einzelforderungen, die über den CDU/SPD-Antrag hinausgingen. Zudem soll es nächste Woche eine Sondersitzung des Fachausschusses geben.
Es wird eng für Vattenfall. Der schleswig-holsteinische Justizminister Uwe Döring erklärte, der Stromkonzern habe der Staatsanwaltschaft trotz der Zusage einer schnellen und umfassenden Information der Öffentlichkeit die Einsicht in die Dienstpläne verweigert. Döring: "Das ist nicht akzeptabel." Der für Vattenfalls Atomkraftwerke zuständige Geschäftsführer Bruno Thomauske wies den Vorwurf zurück: Man habe am Donnerstagabend vergeblich versucht, Kontakt mit der Staatsanwaltschaft aufzunehmen. Dazu erklärte Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schultz: "Bei uns hat sich während der Dienstzeit niemand gemeldet. Und unser Fax hat nie Betriebsschluss."
Spätestens am Montag wird es Neues im Vattenfall-Skandal geben: Dann will die Atomaufsicht Schichtleiter und Reaktorfahrer befragen. Falls Vattenfall nicht wieder mauert.
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