Ermittlung wegen Missbrauchsdarstellung: Linken-Abgeordneter unter Verdacht
Der Thüringer Landtag hat die Immunität eines Linken-Politikers aufgehoben. Gegen ihn wird wegen Kinder-Missbrauchsdarstellungen ermittelt.
Bei den mehrstündigen Durchsuchungen habe die Polizei Datenträger gesichert, teilte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage der taz mit. Wie lange die Auswertung dauern werde, sei unklar. Zur Identität des Verdächtigen äußerte man sich nicht. Laut Medienberichten soll er über die IP-Adresse des Landtags einschlägige Foren im Internet besucht haben.
Die Vorsitzenden der Linken in Thüringen, Ulrike Grosse-Röthig und Christian Schaft, teilten am Mittwochmorgen mit, sie seien „tief erschüttert über die schweren Vorwürfe zum Privatleben eines Landtagsabgeordneten“. Dieser lasse mit sofortiger Wirkung seine Arbeit in der Fraktion ruhen, „bis zur Klärung der Angelegenheit“.
Partei und Fraktion kündigten an, die Polizei und die Staatsanwaltschaft Erfurt in ihren Ermittlungen zu unterstützen. Zudem baten die Vorsitzenden Grosse-Röthig und Schaft, „im öffentlichen Umgang mit der Angelegenheit ausdrücklich um Rücksichtnahme auf die Familie des Abgeordneten“.
Weiterhin auf der Landesliste
Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat sich zu dem Verdachtsfall in seiner Partei geäußert: „Es muss schnell, lückenlos und konsequent aufgeklärt werden!“ Er betonte, Recht und Gesetz gelte für alle – auch für Politiker. Auf Facebook schrieb der 68-Jährige außerdem, sollten die Vorwürfe zutreffen, „erwarte ich harte Konsequenzen“. Ähnlich hatte sich bereits der Fraktionsvorsitzende Steffen Dittes geäußert. Dieser sei erst nach der Sondersitzung des Justizausschusses informiert worden.
Die Ermittlungsbehörden waren sichtlich um Geheimhaltung bemüht. Anders als bei anderen Immunitätsaufhebungen wurde den Ausschussmitgliedern vorher nicht mitgeteilt, um wen und welche Vorwürfe es ging. Bevor sie zur Sitzung hineindurften, mussten die Mitglieder zudem ihre Telefone abgeben. Mutmaßlicher Grund: Der Verdächtige sollte nicht vorgewarnt werden. Laut dpa gab es fünf gerichtliche Durchsuchungsbeschlüsse gegen den Verdächtigen.
Die Vorsitzenden der Linken gaben an, der Verdächtige beteilige sich nicht mehr am laufenden Wahlkampf. Am 1. September wählt Thüringen ein neues Landesparlament. Nach Informationen der taz steht der Verdächtige auf der Wahlliste und tritt in einem Wahlkreis auch als Direktkandidat an. Die Linke Thüringen äußerte sich dazu zwar nicht, ein Sprecher erklärte der taz aber auf Nachfrage: Wer durch den Wahlleiter bereits akzeptiert sei, könne davon nicht zurücktreten.
Bei der letzten Landtagswahl bekam die Linke noch 31 Prozent; seitdem stellt sie den Ministerpräsidenten, der allerdings gemeinsam mit den Grünen und der SPD eine Minderheitsregierung anführt. In Umfragen lag die Linke zuletzt bei 15 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern