Erklärung einer Wahlbeobachterin: „Das Ergebnis ist nicht legitim“
Die österreichische Grünen-Abgeordnete Alev Korun beobachtete das Referendum. 2,5 Millionen Stimmen könnten manipuliert sein, sagt sie.
Eine neue Erklärung von Seiten der internationalen Wahlbeobachter stellt erneut die Legitimität des Referendumsergebnisses in Frage. Alev Korun, Grünen-Abgeordnete in Österreich, wurde vom Europarat entsandt, um das Referendum in der Türkei zu verfolgen.
Die 47-Jährige erklärt, dass rund 2,5 Millionen Stimmen manipuliert sein könnten. Nicht nur das Ergebnis, auch die Abstimmung an sich sei fragwürdig verlaufen, so Korun. Die Wahlbeobachterin macht deutlich, dass es unter diesen Umständen unmöglich sei, das Wahlergebnis für gültig zu erklären.
Das Referendum an sich illegal
“Schon im Vorfeld des Referendums kam es zu fragwürdigen Verfahrensweisen gegen die ‚Nein‘-Kampange. Der Wähler wurde daran gehindert, von seinem demokratischen Recht Gebrauch zu machen und frei zu wählen“, erklärt Korun am Telefon und fügt hinzu, dass es vor allem in den kurdischen Gebieten zu Unstimmigkeiten kam.
1972 geborener Journalist. Nach Tätigkeiten für die Tageszeitungen Milliyet, Sabah und Cumhuriyet begann er als Reporter für die 'Zeitung Birgün zu arbeiten, wo er noch heute tätig ist. Acarer gewann 2016 den renommierten Metin Göktepe Journalistenpreis und 2017 den Preis für unabhängige Journalisten.
In diese Region, in der übrigens die höchste Anzahl von ungültigen Stimmen registriert wurde, seien die Wahlbeobachter kaum reingelassen worden: “Der Weg nach Diyarbakır wurde blockiert. Die Mitglieder wurden unterwegs zweimal von der Polizei angehalten. Allein, dass dieses Referendum während des Ausnahmezustands gemacht wurde, verstößt gegen das Recht.“
Verblüffende Reaktion
Nachdem die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) schon am Montag die späte Wahlgesetzesänderung durch das Hohe Wahlamt (YSK) kritisiert hatte, wies Recep Tayyip Erdoğan die Vorwürfe in gewohntem Tonfall zurück: “Eure politischen Berichte sehen wir nicht, hören wir nicht, und erkennen wir nicht an.“ Auch das Hohe Wahlamt meldete sich zu Wort: “Es gab keinen Wahlbetrug.“
Alev Korun merkt an, dass Aussagen dieser Art in einem Rechtsstaat verblüffend und unerklärlich seien: “Der YSK-Leiter sagt, es habe keinen Betrug gegeben. Doch wir wissen nicht, auf welcher Grundlage er das behauptet. Denn es ist schlicht unmöglich 2,5 Millionen Stimmen innerhalb eines Tages zu überprüfen.“
Illegitimes Ergebnis
Auffällig ist, dass auch in den Berichten der Oppositionsparteien CHP und HDP die Rede von 2,5 Millionen ungültiger Stimmen ist. Die Erkenntnisse der internationalen Wahlbeobachter und der Opposition stimmen eindeutig überein. Was die nächsten Schritte angeht, äußert sich Korun so:
“Die Opposition beantragt beim Hohen Wahlamt gerade die Annullierung des Referendums. Wenn dieser Antrag abgelehnt wird, muss man sich an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) wenden. Der EGMR wird bestätigen, dass dieses Ergebnis nicht legitim ist und die Türkei wird darauf reagieren müssen. Die Vorwürfe und Erkenntnisse sind eindeutig. Auch die EU wird das Ergebnis nicht anerkennen.“
In Ankara und in Istanbul haben sich am Dienstagmittag zahlreiche Bürger*innen vor den Büros des YSK versammelt, um ihre schriftlichen Einsprüche gegen die Wahlgesetzesänderung einzureichen.
Abgeordnete der Oppositionspartei CHP waren ebenfalls dort und kündigten an, sich anschließend zum Verfassungsgericht zu begeben. Daraufhin wurde bekannt, dass sich der Präsident des Verfassungsgerichts, Zühtü Arslan, mit Staatspräsident Erdoğan in dessen Palast verabredet hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt