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Erklärung der EKD-SynodeMartin Luther Superstar

Die evangelische Kirche will bis zum 500. Reformations-jubiläum im Jahr 2017 für den Glauben werben. Leider sei für viele Menschen Gott heute „kein Thema mehr“.

Die evangelische Kirche will wieder mehr Menschen für den Glauben begeistern. Bild: dpa

BERLIN taz | Was ist heute eigentlich das Evangelische an den Evangelen? Worin besteht die protestantische Identität angesichts eines immer weiter um sich greifenden Prozesses der Säkularisierung, der „Gottesferne“, um es protestantisch auszudrücken? Diese Fragen standen im Zentrum der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, die am Mittwoch zu Ende gegangen ist.

Mit einer „Kundgebung“ genannten Erklärung hat die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ihr Jahrestreffen im Seebad Timmendorfer Strand abgeschlossen. Gegenstand der Tagung war die Vorbereitung zum 500. Jubiläum des Thesenanschlags Martin Luthers an der Schlosskirche zu Wittenberg im Jahr 1517. Aus den Vorträgen und Predigten der viertägigen Veranstaltung geht hervor, dass es den 120 Delegierten nicht nur um die Organisation eines medienwirksamen Events ging.

Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider entwarf ein düsteres Bild von der „Unkenntnis Gottes in zweiter und dritter Generation“ in Deutschland. Die „Gotteskrise“ führe zur Auslöschung der Erinnerungskultur, zu einer Fixierung auf das isolierte Selbst und zu einer „Totalität der Gegenwart“ im Bewusstsein. In der Botschaft der Reformatoren sieht die Erklärung der EKD eine Antwort auf diese Misere. Reformation sei für sie eine „gewaltige Befreiungsbewegung“ gewesen, wie es in der Kundgebung heißt.

Die christliche Freiheit der Reformation ist nach Meinung der EKD-Delegierten nicht nur befreiend, sondern auch fröhlich – weshalb dem Kirchenlied auf der Synode viel Raum gegeben wurde. Die Bibelstunde Margot Käßmanns und der Bericht Nikolaus Schneiders kleideten sich in Auslegungen protestantischer Kirchenlieder.

Der Jahrestag des Thesenanschlags soll nach dem Willen der EKD feierlich begangen werden, aber ohne Triumphalismus, vor allem ohne Beschränkung auf die eigene Klientel. Luther gehöre allen. Wie die Reformatoren in der Buße den Weg zur Befreiung sahen, so will auch die EKD in einer Bußschrift sich zu Verfehlungen der Reformation bekennen: also Buße wegen Luther dem Judenhasser, dem Bauernfresser, dem Türkenvertilger.

Bleibt das heikle Thema der Ökumene. Trotz Beschwörung der Gemeinsamkeit bleibt die „Kundgebung“ hier protestantisch standfest. Sie spricht von „Priestertum aller Getauften“. Das werden die Vertreter der römisch-katholischen Papstkirche ungern lesen.

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6 Kommentare

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  • WR
    Walter Röbber

    Die " Unkenntnis Gottes "ist in Wahrheit, die Kenntnis, so wie die Lutherkirche Gott predigt ,daran glauben Gott sie dank, nicht mehr die Menschen. Ich glaube auch nicht an den Bibelgott, sondern an den Gott,der FREIHEIT.

  • F
    Falmine

    Es ist unglaublich, wie weit entfernt die Kirche als Institution von ihren Gemeindegliedern ist, wenn sie beklagt, >>Die „Gotteskrise“ führe zur Auslöschung der Erinnerungskultur, zu einer Fixierung auf das isolierte Selbst und zu einer „Totalität der Gegenwart“ im Bewusstsein.

  • N
    nicko

    Wenn Herr Schneider die allgemeine Unkenntnis über das Wort Gottes beklagt, so ist es doch auch seine Kirche, die seit Jahrzehnten sich eher auf die Zunge gebissen hat, als frei und mutig die frohe Botschaft des Evangeliums dem Volk zu erzählen. Also woher soll es kommen, wenn die Christen selbst ihr Licht verstecken? Auf der Synode wurde Luther derart dem Zeitgeist angepasst, dass er sich nur noch als Krüppel im 21.Jahrhundert wieder finden würde. Doch Luthers Lehre ist kraftvoll, weltumspannend und unmissverständlich für jeden, der von Herzen Gott sucht. Eigentlich müssten den falschen Propheten heutiger Tage die Worte Luthers im Munde implodieren, denn der Gegensatz zur Realität der Kirche ist immens.

  • B
    b.lichtenstein

    Luther legte seiner Obrigkeit bekanntlich nahe, juedische ZeitgenossInnen als "Teufelskinder" zu aechten und so zu behandeln wie es die entfesselten Deutschen dann festen Glaubens etwas spaeter gruendlich befolgt haben: "Erstlich, das man ire Synagga oder Schule mit feur anstecke und, was nicht verbrennen wil, mit erden uber heuffe und beschuette, ds kein Mensch ein stein oder schlacke davon sehe ewiglich...Zum andern, das man auch ihre Heuser des gleichen zerbreche und zerstoere...zum fuenften, das man den Juden dass Geleid und Strasse gantz und gar auffhebe...Denn wie gehoert, Gottes zorn ist so gros ueber se, das sie durch sanffte barmhertzig- keit nur erger und erger, durch scherffe aber wenig besser werden, Drumb imer weg mit inen."

    Da laesst die EKD also das richtige Idol zur rechten Zeit fuers rechte Deutschvolk ausrufenn. Populaer & anti-gutmenschlich, was auch sonst.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Wort und Tat müssen eine Einheit bilden

    Der Evangelischen Kirche laufen wie der katholischen Kirche die Schäfen weg.ÜBer 6 Millionen evangelische Schäfchen haben die Gliedkirchen innerhalb der EKD bis jetzt verloren und ein Ende ist nicht ab zu sehen.

    Martin Luther hat uneingeschränkt viel getan.Eine Spaltung kam ihm nicht in Betracht. Er wollte die Kirche erneuern,den Ablasshandel der auch heute noch besteht in der katholischen Kirche beseitigen.

    Aber Martin Luther hat nicht nur sich verdient gemacht ,weas die Bildung betrifft,er hatte auch seine Schattenseiten im Bezug auf jüdische und behinderte Menschen.

    Dies muss ebenfalls erwähnt werden,wenn von Martin Luther die Rede ist.

    Hierarchisch und monarchisch ist die Kirche,hier die evangelische aufgebaut.

    In der Bibel ist nichts vom Kirchenbeamtentum die Rede,nicht die Rede von Kirchensteuern,schon gar nicht die Rede was die Homosexualität und Lesbilität von kirchlichen Mitarbeitern betrifft.Ebenfalls ist nicht die Rede im Bezug auf Jesuzs Christus,dass Schutzbefohlene in kirchliche Einrichtungen zu Schaden kommen.Ebenfalls ist nicht die Rede,dass es priviligieret und Nichtpriviligierte unter den Christen geben soll.

    Von einer sogenannten Volksfrömmigkeit und einer Volkskirche kann nicht geredet werden,wenn es jemals eine Volkskirche im evangelischen Sinne gab.

    Synodale und leitende Geistliche(Kleriker) leben abgehoben in einer anderen Welt,als es die "normal" Gläubigen es tun.

    Vieel wurde erreicht weas das ökumenische Miteinander mit den Geschwisterkirche anbetrifft."Ökumene jetzt" wie es einen vor kurzen Aufruf es hieß,den namhafte Prominente mit unter zeichneten zeigt,dass der Wille zur Einheitskirche vorhanden ist.Ein Ruck muss bei den Sy

  • W
    Weinberg

    Ist davon auszugehen, dass unser Bundesgauckler die 25.000 Euro, die er von den Stadtwerken Bochum kassiert hat, zum 500. Reformationsjubiläum spendet?

     

    Oder bleibt es dabei, dass NEHMEN seliger als GEBEN ist?