Eritrea-Festival in Gießen: Doch noch abgesagt
Nach Protesten wurde das Eritrea-Festival in Gießen von der Polizei abgesagt. Zuvor kam es zu Schlägereien und es gab Festnahmen.
Nach Angaben des Kommunalpolitikers Klaus-Dieter Grothe (Grüne) hätten die Protestierenden noch vor dem offiziellen Beginn der Diktaturfeier um 20 Uhr das Festivalgelände in den Messehallen Gießen gestürmt. „Es fuhr eine große Zahl von Polizeikräften und auch einzelne Rettungsfahrzeuge in die Messehallen. Sie haben die Diktaturanhänger von den Protestlern getrennt und das noch nicht begonnene Fest abgebrochen“, so Klaus-Dieter Grothe.
Er vermutet, dass es Schlägereien zwischen den Protestlern und den Festivalveranstaltern gab, die Polizei hätte seinen Angaben zufolge Personalien der Akteure beider Seiten aufgenommen. Das bestätigte die Polizei Gießen in einer Pressemitteilung. Demnach gab es Angriffe mit Stöcken, Eisenstangen und Messern. Weiter heißt es, dass die „eingesetzten Polizeikräfte mit Steinen beworfen wurden – die Kräfte setzen Schlagstöcke und Pfefferspray gegen die Angreifer ein“. Mehrere Personen sollen festgenommen worden sein. Die Polizei ordnete schließlich die Absage des eritreischen „Kulturfestivals“ an.
Wie die taz berichtet hatte, wollte sich dort die eritreische Militärdiktatur in Gießen am Samstag von ihren hier lebenden Anhängern feiern lassen. Dazu hatte sie Hassprediger und -sänger eingeladen. Gegner hatten damit gerechnet, dass unter den in Deutschland lebenden Eritreern Soldaten für den äthiopischen Bürgerkrieg rekrutiert werden sollten und dass die Diktatur Gelder einsammeln wollte, die in die Kriegskasse fließen sollten. Eritrea ist faktisch eine Kriegspartei im äthiopischen Bürgerkrieg. Ein Antrag der Diktaturgegner an die Stadt Gießen, das Fest zu verbieten, war am Freitagabend aus formalen Gründen vor dem Verwaltungsgericht gescheitert.
Klaus-Dieter Grothe und der grüne Bundestagsabgeordnete Boris Mijatović hatten sich bereits am Samstagnachmittag einem Demonstrationszug von rund 220 eritreischer Gegendemonstranten, die nicht mit den Protestlern in den Messehallen identisch waren, durch die Stadt Gießen angeschlossen. Der Abbruch des Festes durch die Polizei hätte bei ihnen Jubelstimmung ausgelöst, sagte Mijatovic der taz, bevor die Ausschreitungen bekannt waren. „Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut. Ich kann die Wut der vor der Diktatur geflohenen Eritreer auf die Diktatur verstehen.“
Änderungshinweis: In einer vorherigen Version des Artikels stand, das besagte Fest sei Teil einer fast jährlichen Veranstaltung. Das gemeinte Eritrea-Festival in Gießen fand allerdings bereits im Juli 2022 statt. Dort wurden aber keine Künstler und Propagandisten aus Eritrea eingeflogen. Das Festival im August wäre eine gesonderte Veranstaltung und Teil einer europaweiten Tour gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos