piwik no script img

Erinnerungsarbeit

■  Der Film „Doppeltes Dreieck“ zeigt: Ein Stoff muss nicht neu sein (20.15 Uhr, ZDF)

Es ist bestimmt nicht die Story, die hier besticht. Denn die Geschichte von der Frau, die ihr Gedächtnis bei einem mysterösen Unfall verlor und also vergaß, wer sie warum umbringen wollte, ist nicht eben neu. Trotzdem hat „Doppeltes Dreieck“ seine erzählerischen Qualitäten. Sie liegen freilich vor allem in den sorgsam ausgearbeiteten Bildern und Stimmungen. Aber warum nicht auch einmal Fernsehen zum Ansehen?

Die Tat wird uns aus der Rückschau berichtet: Glatzköpfig und in einem Rollstuhl wird Barbara Rudnik zum polizeilichen Verhör geführt, nur widerwillig beginnt die offensichtlich Versehrte, sich zu erinnern. Wir sehen den Autounfall, das Krankenhaus, die Ärzte, den Gatten – das übliche besorgte Personal. Natürlich halten alle die Patientin für suizidal. Dass dennoch sofort ein Zweifel an dieser Erklärung haften bleibt, ist zunächst den suggestiven Bildern von Kameramann Theo Bierkens, der ahnungsvollen Musik von Dieter Schleip zu verdanken – und natürlich den allesamt souverän agierenden Schauspielern.

Regisseur Theo Bierkens sorgt dafür, dass hier ja niemand die doch recht stereotype Geschichte überspielt: So darf Barbara Rudnik glaubhaft im dunkeln tappen. Helmut Berger wird lange nur als treusorgender Gatte vorgeführt, bevor er dann doch als Verdächtiger erster Ordnung in Erscheinung tritt. Gegen alle Ratschläge sucht die Heldin also nach der Wahrheit. Das führt sie in Gegenden, die die Tochter reicher Leute bisher nicht betrat (wunderbar der Gastauftritt von Andrea Sawatzki als Bordellkönigin), und zu Erkenntnissen über ihren Mann, vor denen sie bisher lieber die Augen verschloss.

Sogar Elisabeth Trissenaar als distanzierte Psychologin kommt hier adäquat zur Geltung: nicht zu theatral (wie es oft ihre Art ist), aber doch so pointiert, dass sie haften bleibt. Und André Hennikke bedient bescheiden, aber wirkungsvoll seinen „supporting act“ als insgeheim verliebter Staatsanwalt. Allein Max Tidorf hat in diesem hochkarätig besetzten Stück eine eher undankbare Rolle: Unrasiert und sanftäugig muss er den unergründlichen Fremden aus dem Dunkel mimen. Ob er Rudniks edler Retter ist oder doch nur ihr bezahlter Henker, bliebt indes nicht lange verborgen ...

Wie gesagt: Die Story ist insgesamt etwas abgenutzt – dass die Heldin das Drama trotz diverser Anschläge überleben wird, wissen wir ja auf Grund ihrer Aussage auch schon. Umso erstaunlicher, dass „Doppeltes Dreieck“ seine Spannung trotzdem bis zum Ende halten kann. Das zeigt einmal mehr, dass gutes Fernsehen nicht immer neu sein muss. Meist ist das, was uns zum Hingucken verleitet, doch eine Angelegenheit guter Handwerker.

Klaudia Brunst

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen