Erinnerung an Afrikaner*innen in Berlin: Ingenieur, Performer, Kommunist
Joseph Ekwe Bilé aus Kamerun gehörte zu den schärfsten Kritikern des Kolonialismus. Ab dem 21. April erinnert eine Berliner Gedenktafel an ihn.
Joseph Ekwe Bilé war eine*r von etwa 250 bis 500 schwarzen Bürger*innen, die in den 1920er Jahren in Berlin lebten. Der britische Historiker Robbie Aitken, der über Bilés Leben geforscht hat und bei der Enthüllung sprechen wird, hat herausgefunden: Wie die meisten Afrikaner*innen in Berlin stammte auch Bilé aus einer einflussreichen Familie in Kamerun, die ihre Kinder vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges zur Ausbildung ins deutsche Kaiserreich geschickt hatte. Bilé wurde von 1912 bis 1914 in Thüringen zum Bauingenieur ausgebildet.
Doch bei Kriegsausbruch saß Bilé in Deutschland fest. Er war zunächst Soldat und jobbte dann als Performer im damaligen Ostpreußen, in Wien und Berlin. Doch er politisierte sich rasch: Bilé gehörte zu den Männern um Martin Dibobe, dem die erste Berliner Gedenktafel für einen schwarzen Menschen in Berlin gewidmet ist und der 1919 eine Petition an die Nationalversammlung für die Gleichstellung von Afrikaner*innen und Deutschen geschrieben hat.
Im September 1929, als Bilé in der Bülowstraße mit der Berlinerin Helene Lück und ihrer gemeinsamen Tochter Gertrud lebte, gründete er eine deutlich radikalere, kommunistisch finanzierte deutsche Sektion der Pariser antikolonialen Vereinigung Ligue de Défense de la Race Négro. Außerdem wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands. Bei zahlreichen Großdemonstrationen trat er als einflussreicher Redner auf, kritisierte die deutsche Kolonialherrschaft in Kamerun, die „Verwaltung“ seines Landes durch Großbritannien und Frankreich, die anhaltende Sehnsucht vieler Deutscher, die alten Kolonien zurückzugewinnen – aber auch den Missbrauch und die Misshandlung afrikanischer Menschen weltweit.
1932 verließ Joseph Ekwe Bilé die Stadt, um in Moskau an der Kommunistischen Universität des Ostens zu studieren. Er kam nie wieder nach Berlin zurück. 1934 ging er nach Frankreich. Erst als er sich vom Kommunismus distanzierte, konnte er 1935 nach 23 Jahren nach Kamerun zurückkehren. Dort arbeitete er als Architekt, gründete eine neue Familie und starb 1959 – ein Jahr vor der Unabhängigkeit des Landes.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!