Erich Rathfelder zuM möglichen Nato-Beitritt Montenegros: Mit Liebe hat das nichts zu tun
Montenegro soll als 29. Staat in die Nato eintreten. Der Kleinstaat auf dem Balkan, um den sich sonst niemand kümmert, ist plötzlich in den Schlagzeilen. Mehr noch, Moskau wirft den USA in rabiater Weise vor, Russland weiter einzukreisen. Und Montenegros langjähriger Regierungschef Milo Ðukanović setzt dagegen, Montenegro sei nun mit im exklusiven Kreis von Staaten, die gleichbedeutend sind mit den „höchsten Werten der modernen Zivilisation“.
Na ja, da wird wohl auf beiden Seiten zu viel Butter aufs Brot geschmiert. Ðukanović ist ja auch nicht gerade einer, der frisch aus der Mailänder Scala kommt. Als jemand, der seinen Kleinstaat autoritär führt und in allerlei krumme Geschäfte verwickelt ist, sollte er lieber lernen, was „höchste Werte“ wirklich sind. Dass die Russen aber mit scharfem Geschütz auf diesen Spatz schießen, scheint völlig absurd zu sein. Montenegro bedroht keineswegs die russische Grenze. Das Militärpotenzial des Landes wird die Gewichte in der Welt wohl kaum verschieben.
Es geht doch um was ganz anderes: Montenegro war seit der Zarenzeit Verbündeter Russlands, das Augen für die Häfen des Landes hatte, um im Mittelmeer operieren zu können. Für russische Adelige war das Land ein beliebtes Reiseziel. Auch heute stellt Russland ein Drittel aller Touristen. Russen kaufen Häuser und Villen auf. Und der auf den Pfaden der Geschichte wandelnde Putin möchte gern das Land (mit seinen Häfen?) hinter sich und den anderen Freunden auf dem Balkan wissen.
Dass die Nato jetzt das Angebot an Montenegro macht, hat nichts mit Liebe zu Ðukanović zu tun, sondern vor allem mit den russischen Ambitionen. Denn jahrelang wurden die Verhandlungen mit Montenegro schleifen gelassen. Die aggressive Anti-Nato-Kampagne der prorussischen und proserbischen Kräfte in Podgorica hat die Nato wohl etwas wachgerüttelt.
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