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Erich Rathfelder über das Gipfeltreffen der EU in SofiaDer Griff nach dem Balkan

Eigentlich sollte der Gipfel der Regierungschefs der EU in Sofia sich vor allem um die Beitrittsperspektiven der Westbalkanländer kümmern. Mit dem Konflikt um den Iran sind die Spannungen zwischen den USA und Europa jedoch zum vorherrschenden Thema geworden. Der demonstrative Schulterschluss der Regierungschefs der EU gegen Trump mag zwar für den Moment Stärke symbolisieren, in Wirklichkeit jedoch wird die Position der EU durch den Iranstreit geschwächt. Zumal auf dem Balkan.

Schon jetzt kümmert es Russlands Präsidenten Putin nur wenig, wenn die Nato leise gegen die Militärhilfen Russlands in Serbien und dem serbischen Teilstaat in Bosnien und Herzegowina Stellung nimmt. Die Spaltung des Westens erweitert politische Spielräume für andere.

Ausgerechnet in dem symbolträchtigen Sarajevo wird der türkische Präsident Erdoğan am Sonntag demonstrativ kurz nach dem Gipfel der EU seine Botschaft für Europa und den Westbalkan verkünden. Zwar wird die EU-Beitrittsperspektive für die Westbalkanstaaten nach außen hin sogar von Russland und der Türkei gestützt, in Wirklichkeit jedoch denkt man in Moskau und Ankara strategisch langfristig.

Dass Russland Interesse an den christlich-orthodoxen Staaten zeigt und die Türkei die muslimischen Gebiete für sich gewinnen will, ist ja offensichtlich. Außer den immer hohler klingenden Versprechungen auf Integration hat Brüssel keine gemeinsame Strategie formuliert. Spanien und vier weitere Länder haben sich ohnehin wegen des Kosovokonflikts aus einer gemeinsamen Politik ausgeklinkt, der französische Präsident Macron will erst die bestehende EU konsolidieren, und Deutschlands Politik bleibt leider viel zu vage. Noch hofft ein großer Teil der Bevölkerung der Region darauf, dass Europa es mit den Beitritten wieder ernster meint. Auch um die eigenen nationalistischen Dämonen zu bändigen. Die haben nämlich keine Skrupel, sich mit totalitären Herrschern zu ­verbünden.

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