Erich Rathfelder über Wladimir Putins Besuch in Slowenien: Auf der Balkanroute
Dass Wladimir Putin aus Anlass des Gedenkens von 400 russischen Kriegsgefangenen aus dem Ersten Weltkriegs am Vršič-Pass nach Slowenien kam, klingt ja erst einmal gut. Die außerhalb Sloweniens und Italiens fast vergessenen Gräuel dieses Kriegs, wo Österreich-Ungarn unter Einschluss Sloweniens gegen Italien kämpfte, werden so wieder aus dem Dunkel der Geschichte geholt. Hunderttausende Soldaten ließen bei diesen sinnlosen Kämpfen um ein paar Quadratmeter Geländegewinn auf den Pässen der Südalpen ihr Leben, Zehntausende russische Kriegsgefangene wurden damals beim Straßenbau eingesetzt.
Doch ist das Gedenken an diese Opfer wirklich der alleinige Grund für die Reise? Putin ist ja durchaus bewusst, dass das Nato- und EU-Mitglied Slowenien wie kaum ein anderer Staat unter den von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland leidet. Für Slowenien ist Russland nach der EU der zweitwichtigste Exportmarkt. Das in den letzten Jahren wirtschaftlich schwächelnde Slowenien hat also ein allerhöchstes Interesse daran, mit Russland wieder ins Geschäft zu kommen. Mehr noch: Es hat ein Interesse daran, in Brüssel dafür zu werben, den Wirtschaftsboykott der EU gegenüber Russland zu lockern.
Für einen Machtpolitiker wie Putin, der sich ohne mit der Wimper zu zucken mit den rechtsradikalen Parteien Europas verbündet, um die EU zu schwächen, könnte Slowenien ein Hebel sein, weitere Konflikte in die EU zu tragen. Ob sich das Land unter seiner linksliberalen Führung aber so leicht von dem Russen instrumentalisieren lässt, ist dennoch fraglich. Denn in Slowenien gibt es keine dem orthodoxen Glauben anhängenden Volksgruppen und Nationen, die wie in anderen Staaten des Balkan emotional auf der Seite Russlands stehen. Slowenische Regierungen haben seit jeher erst nach einer ausführlichen wirtschaftlichen und politischen Bestandsaufnahme mit kühlem Kopf ihre Entscheidungen getroffen.
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