Erich Rathfelder ÜBER DIE LAGE IN SYRIEN: Kleine Chance für die Diplomatie
Sehr lange hat es gedauert, bis überhaupt daran gedacht wurde, den diplomatischen Prozess zur Beendigung des Syrienkriegs wieder aufzunehmen. Zu lange blockierten sich die Mächte USA, Russland, die Türkei, der Iran, Saudi-Arabien und auch die Europäische Union.
Die Fluchtwelle hat jetzt wohl etwas Bewegung gebracht. Auch das Atomabkommen mit dem Iran eröffnet einen zwar engen, doch existierenden politisch-diplomatischen Spielraum, den es zu nutzen gilt. Ziel muss es sein, alle Beteiligten an einen Tisch zu bekommen.
Dass Russland seit einiger Zeit seine Truppen in Syrien verstärken und einen neuen Marinestützpunkt aufbauen will, zeigt an, dass Moskau keine Lösung ohne das Assad-Regime zulassen wird. Aber die Tür, gemeinsam mit den USA und den anderen Mächten gegen den Islamischen Staat vorzugehen, ist damit noch nicht zugeschlagen.
Natürlich sind die Interessen der beteiligten Mächte widersprüchlich – und sogar weitgehend gegensätzlich. Der Iran und die Hisbollah-Miliz kämpfen auf Seiten Assads. Die Türkei dagegen kann sich bisher keine Lösung mit Assad vorstellen. Saudi-Arabien, das zwar offiziell vom Islamischen Staat abgerückt ist, aber mit seiner wahhabitischen Auffassung des Islam die Theologie dieser „Gotteskrieger“ stark beeinflusst, sieht als den größten Feind in der Region den Rivalen Iran an.
Da die USA bisher in dieser Frage auf der Seite Saudi-Arabiens standen, war keine Bewegung möglich. Das könnte sich jetzt geändert haben. Mit dem vor allem von Deutschland verhandelten Atomabkommen könnten die USA versuchen, Saudi-Arabien zum Einlenken zu bringen.
Sicherlich, es gibt viele Konjunktive. Doch in diese Richtung zu denken, öffnet den Weg für einen diplomatischen Prozess. Wie schon beim Atomabkommen mit dem Iran kommt Berlin und damit Europa die Schlüsselrolle zu.
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