Erhöhung der Lohnnebenkosten: Konservative und die Glaubwürdigkeit
Egal was die Union macht, sie selbst wird nicht an Zuverlässigkeit und Leistungsbereitschaft gemessen. Es ist, als wollte die Union absichtlich ihre Wähler provozieren.
W as für ein merkwürdiges Gut ist die Glaubwürdigkeit in der Politik. Was mit einer Partei passiert, die sie verspielt, ist am Beispiel der SPD zu beobachten. Sie hat sich in ihrer Regierungszeit unglaubwürdig gemacht. Dass sie in ihrer Kernkompetenz - dem Sozialstaat - die eigenen Leute verriet, hat ihren Ruf weit ins andere Lager hinein beschädigt. Was aber muss eigentlich noch passieren, bis der Union ihre Glaubwürdigkeit entzogen wird?
Ulrike Winkelmann ist Parlamentskorrespondentin der taz.
Soweit die Wirtschaftsexperten von CDU und CSU zu verstehen sind, schlagen sie nun vor, doch die Sozialbeiträge zu erhöhen, um die Steuerausgaben zu vermindern. Dieselben Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, die zu senken die Union in der großen Koalition einen regelrechten Kreuzzug veranstaltete, könnte man nun, na ja, wieder anheben. Lohnnebenkosten - egal. Mit den freigesetzten Steuermitteln könnte man den Haushalt über die Runden bekommen, der ja leider auch unter den soeben gewährten Steuersenkungen leidet.
Es ist, als wollte die Union absichtlich ihre Wähler provozieren: Na, ihr habt uns den Unsinn abgenommen, die Mehrwertsteuer für Hotels zu senken und Erben zu beschenken. Können wir eure Intelligenz jetzt auch noch damit beleidigen, dass wir unsere eigenen wirtschaftspolitischen Prämissen auf den Kopf stellen? Die Zuschreibung von Wirtschaftskompetenz, dies geben die Umfragen immer wieder her, macht den Kern des schwarzen oder auch schwarz-gelben Machtanspruchs aus.
Selbst Wähler der anderen Parteien vermuten die Wirtschaftskompetenz oft bei Schwarz-Gelb. Nichts, was die neue Regierung bislang getan oder angekündigt oder angedeutet hat, rechtfertigt dies. Ihr Lohnnebenkostengeschwätz der vergangenen Jahre haben die Konservativen offenbar noch nicht einmal selbst geglaubt. Jetzt fällt ihnen auf, dass viele kleine Beitragszahler sich immer noch widerstandsloser belasten lassen als Steuerhöchstsatzzahler.
Der durchschnittlich zynische Linke und Linksliberale mag es nun ohnehin immer gewusst haben: Konservativer Machtanspruch fußt weder auf den behaupteten Werten - Zuverlässigkeit, Leistungsbereitschaft und so weiter - noch muss er in der Sache logisch begründet sein. Die Schwarzen sollen regieren, weil sie regieren sollen, Punkt. Und solange sie sich bei ihren eigenen Wählern nicht ausreichend unmöglich gemacht haben, scheint das auch so zu bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“