Erfolgreicher Ortsverband verlässt FDP: "Gute Arbeit ohne gelbes Label"
Die FDP Treuenbrietzen war mit einem Wahlergebnis von 34 Prozent bisher einer der erfolgreichsten Ortsverbände. Nun ist er fast vollständig ausgetreten.
TREUENBRIETZEN taz | Das sitzt: "Kommunalpolitik hat keine Farbe und wir werden auch ohne gelbes Label gute Arbeit machen." In Outdoor-Jacke über Hemd und Krawatte steht Michael Knape in der Dachstube des Treuenbrietzener Heimatmuseums. Der Bürgermeister des brandenburgischen 7.500-Einwohner-Städtchens verteidigt den Bruch seines FDP-Ortsvereins mit der Freidemokratischen Partei Deutschlands.
Die FDP Treuenbrietzen war bisher eines der wenigen FDP-Flaggschiffe, bei den Kommunalwahlen 2008 bekam der Ortsverband 34 Prozent bekam. Doch bis auf ein Mitglied wollen nun alle acht FDP-Mitglieder die Partei bis März verlassen.
Hier, an der langen Tafel des Heimatmuseums, fiel bei ihrem kleinen Dreikönigstreffen zwischen Uniformen und Adelsporträts die Entscheidung. Der Bruch der Jamaika-Koalition im Saarland wegen der Querelen in der Saar-FDP - genau zu dem Zeitpunkt als der Bundesvorsitzende Philipp Rösler beim großen Dreikönigstreffen der Partei in Stuttgart eine programmatische Rede halten wollte. Dass Rösler dann nicht reagiert habe, das habe "das Fass zum Überlaufen gebracht", sagt Ortsverbandschef Andreas Gronemeier.
"Die Energiewende war die Chance"
Unzufrieden mit der Bundespartei ist Bürgermeister Knape, seit 1993 in der FDP und seit zehn Jahren Bürgermeister, schon länger: seit der Atomreaktor-Katastrophe im japanischen Fukushima im März 2011. "Die Energiewende war die Chance der FDP, man hätte Lücken besetzen können", sagt der 42-Jährige.
Die FDP Treuenbrietzen glaubt die nötigen Werkzeuge zu kennen. Seit 2009 verbindet sie einen klassisch grünen mit einem liberalen Gedanken: Der strom- und wärmeautarke Stadtteil Feldheim ist ihr ganzer Stolz, ermöglicht durch die Zusammenarbeit von Politikern, Bürgern und zwei ortsansässigen Firmen.
3.400 Solarmodule, 43 Windkraftanlagen und eine Biogasanlage versorgen 39 Haushalte, drei Agrarbetriebe und einen Solarmodulhersteller. "In solchen dezentralen, regenerativen Organisationsformen steckt unglaublich viel Potenzial für mittelständische Unternehmen - ein Top-FDP-Thema", glaubt Knape.
Er sprach beim energiepolitischen Sprecher der Bundes-FDP, Klaus Breil, vor, machte Vorschläge für neue Versorgungsstrukturen und ein Energieministerium. Doch als nichts davon in die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Juli 2011 einfloss, war für die Treuenbrietzener klar: Die Bundes-FDP ist eine perspektivlose Einthemenpartei.
Ein deutliches Zeichen an die Bundespartei
Dass sich die FDP nur noch auf das Thema Steuern konzentrierte, deutet auch Norbert Kersting als Grund für ihre Krise. Doch der Professor für Kommunal- und Regionalpolitik an der Universität Münster sieht für die Liberalen keine Chance, sich mit der dezentralen, grünen Energieversorgung zu profilieren.
"Den liberalen Gedanken damit zu verbinden - das funktioniert vielleicht auf lokaler Ebene, auf Bundesebene wirkt das neben den Grünen unglaubwürdig", sagt Kersting. Er sieht die Kernkompetenz der FDP, die laut dem aktuellen ZDF-Politbarometer bei vier Prozent herumkrebst, in ihren Ursprüngen - dem Kampf für Bürgerbeteiligung. Der lohne sich vor allem für die Landes- und Kommunalpolitiker, eine größere Bürgerbeteiligung mache sich eben vor allem vor Ort bemerkbar.
Tatsächlich war das auch das Erfolgsrezept der FDP Treuenbrietzen aus: Mit Bürgerbeteiligung hat die seit 1996 in der Haushaltskrise steckende Kommune Treuenbrietzen die eigene Energiewende organisiert, die örtlichen Kammerspiele am Leben erhalten, vier Anliegerstraßen erneuert, bald übernimmt der Heimatverein das Heimatmuseum.
"Die Leute wollen sich beteiligen", sagt Michael Knape. Die Bundespartei stehe dafür nicht mehr, weshalb die Treuenbrietzener Liberalen nun einen freien Wählerverein bilden wollen. Laut Politikwissenschaftler Kersting ist das ein deutliches Zeichen an die Bundespartei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt