Erdogan und Satire: „Klassisches Eigentor“
Der deutsche Botschafter in der Türkei verteidigt gegenüber Erdogan die Pressefreiheit. Deutsche Politiker kritisieren den türkischen Präsidenten.
Erdmann war in der vergangenen Woche wegen eines satirischen TV-Beitrags in der NDR-Sendung „Extra 3“ über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan einbestellt worden. Darin war Erdogans Umgang mit der politischen Opposition kritisiert worden. Der Diplomat musste dies in einem längeren Gespräch rechtfertigen.
Erdmann habe deutlich gemacht, dass politische Satire in Deutschland von der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt sei, hieß es weiter aus dem Auswärtigen Amt. Daher sei es weder nötig noch möglich, dass die Bundesregierung eingreife.
Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen hat die Reaktion Erdogans als „völlig unangemessen“ kritisiert. Der SPD-Obmann im Auswärtigen Ausschuss sprach am Mittwoch im Deutschlandfunk von einer „außerordentlich ungewöhnlichen“ Entscheidung, deswegen den deutschen Botschafter einzubestellen.
Dem Ruf geschadet
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Extra3-Beitrag
Erdogan und die türkische Regierung hätten damit „ein klassisches Eigentor“ geschossen. Statt das Ansehen und die Ehre des Präsidenten zu schützen, sei das Gegenteil geschehen. „Ich glaube, dass das dem Ruf der Türkei nicht unbedingt geholfen hat“, sagte Annen. Er widersprach Vorwürfen, die Bundesregierung habe das Vorgehen Erdogans gegen das Satire-Stück nicht deutlich genug zurückgewiesen.
Auch CDU-Außenexperte Norbert Röttgen wies Kritik an der Bundesregierung zurück. Er habe „keinen Zweifel“, dass die Bundesregierung „die zweifelsfreie Geltung“ von Grundrechten in Deutschland „auf ihren Wegen und ihren Kanälen“ zum Ausdruck gebracht habe, sagte er am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. Auch der deutsche Botschafter habe das getan.
Obwohl das Verhalten Erdogans nicht den diplomatischen Gepflogenheiten entspreche, spreche es „nicht gegen die Kooperation mit der Türkei“, sagte Röttgen. Deutschland müsse seine rechtsstaatlichen Grundsätze aber in dieser Kooperation klar benennen. Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei sei darum ein „Testfall, ob die Türkei rechtliche Vereinbarungen auch umsetzt“.
Die aktuelle Entwicklung der Türkei unter Präsident Erdogan, der die Unabhängigkeit der Justiz und grundlegende Freiheitsrechte wie die Meinungsfreiheit „systematisch“ einschränke, sei „kein Weg in die Europäische Union“, stellte Röttgen klar. „Das muss man klar benennen“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag.
Erdoğan versteht keinen Spaß
Kritik an Erdogan kam auch von der Türkischen Gemeinde in Deutschland. „Erdogans Reaktion ist überzogen“, sagte der Vorsitzende Gökay Sofuoglu der Berliner Zeitung. „Dass er sich auf diese Weise einmischt, ist noch mal eine zusätzliche Satire. Man sollte die Kirche im Dorf lassen und die Satire in Deutschland.“
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