Erdogan bedrängt Hurriyet-Verlag: Der Gleichschalter
Der "Hürriyet"-Verlag soll mit einer astronomischen Strafzahlung an das Finanzamt in den Ruin getrieben werden - dahinter steckt Premier Erdogan.
Der Schlag war erwartet worden, aber die Größenordnung überraschte denn doch. Rund 400 Millionen Euro, beziehungsweise 826,3 Millionen türkische Lira, soll der Medienkonzern Dogan-Holding mit seinem Flaggschiff Hürriyet wegen angeblicher Steuerschulden Strafe an das Finanzamt zahlen. Das ist eine Summe, die in diesen Tagen auch einen großen Konzern in den Ruin treiben kann, und so sprechen die Verantwortlichen von Dogan-Medien nicht zu Unrecht davon, dass diese vermeintliche Steuerstrafe nichts anderes sei als ein massiver Angriff auf die Pressefreiheit in der Türkei.
Tatsächlich ist die Dogan-Holding der Regierung von Tayyip Erdogan schon länger ein Dorn im Auge. Die Zeitungen des Konzerns, allen voran Hürriyet und Milliyet, aber auch die englischsprachige Daily News und der Dogan-Fernsehkanal "D", haben sich in den letzten Jahren zur wichtigsten Opposition gegen die regierende AK Parti entwickelt, insbesondere was die Aufdeckung von Korruptionsfällen innerhalb der Regierung und Islamisierungstendenzen in der Gesellschaft angeht. Im Kampf ums Kopftuch und in den Versuchen der AKP, den Verkauf von Alkohol zu verbieten, hat sich der Dogan-Konzern eindeutig auf die Seite der säkularen Gesellschaft gestellt und sich deshalb immer wieder den Zorn der AKP insgesamt und Tayyip Erdogans insbesondere zugezogen.
Auch der Zeitpunkt für die Verkündung der Steuerstrafe ist wohl kein Zufall. Ende März finden die in der Türkei sehr wichtigen landesweiten Kommunalwahlen statt, und gerade jetzt sind Berichte über Korruptionsaffären besonders lästig. Vor wenigen Tagen hat die Oppositionspartei CHP, die ansonsten so weit abgewirtschaftet hat, dass sie ohne die Berichterstattung in den Dogan-Medien kaum noch Gehör fände, eine Affäre wieder hochgezogen, die bereits im letzten Jahr zu einem scharfen Konflikt zwischen Erdogan und dem Chef der Dogan-Medien, Aydin Dogan, geführt hatte. Es geht dabei um einen deutschtürkischen Wohlfahrtsverein Leuchtturm e. V. der in Deutschland für angeblich karitative Zwecke rund 30 Millionen Euro gesammelt hat, von denen aber mehr als die Hälfte zweckentfremdet auf den Konten AKP-naher Firmen landete, deren Besitzer teilweise enge Weggefährten Erdogans sind.
Weil Hürriyet über diese Affäre groß berichtete, war sich Ministerpräsident Erdogan nicht zu schade, Aydin Dogan persönlich anzugreifen und dazu aufzurufen, keine Dogan-Zeitungen mehr zu kaufen. Begründet wird die Steuerstrafe jetzt damit, der Dogan-Konzern hätte, als er 2006 einen 25-Prozent-Anteil an den deutschen Springer-Konzern verkaufte, seine dabei entstandene Steuerschuld statt im Dezember 2006 erst im Januar 2007 gezahlt. Angesichts des Steuerchaos, das in der Türkei herrscht, und der exorbitanten Summe, die Dogan nun zahlen soll, ist es ziemlich offensichtlich, dass es dabei um ein politisches Manöver geht.
Schon heute hat sich die AKP, seit sie vor sieben Jahren an die Regierung kam, einen großen Teil von Presse und Fernsehen gesichert. Die islamisch orientierten Medien, die mittlerweile knapp die Hälfte des Marktes ausmachen, unterstützen die AKP schon aus ideologischen Gründen. Vor zwei Jahren hat die Regierung dann dafür gesorgt, dass die Sabah-Gruppe, nach Dogan der zweitgrößte Medienkonzern, der in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, an eine AKP-freundliche Holding verkauft wurde. Wenn jetzt die Dogan-Holding ruiniert oder auf Linie gebracht wird, hat Erdogan außer in kleinen Nischenblättern keinen Widerspruch mehr zu fürchten.
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