piwik no script img

Erdbeben in Südostasien„Unser Haus ist eingestürzt“

Allein in Myanmar fordert ein Beben mindestens 144 Todesopfer und hunderte Verletzte. Experten warnen vor möglichen weiteren Erdstößen.

Rettungskräfte arbeiten an einem Gebäude, das nach einem starken Erdbeben in Zentral-Myanmar eingestürzt ist, 28.3.2025 Foto: Athit Perawongmetha/reuters

Köln taz | Ein schweres Erdbeben hat am Freitag Teile von Südostasien erschüttert. Betroffen von dem Beben der Stärke 7,7 ist vor allem Myanmar, genauer gesagt die Stadt Mandalay, die benachbarte Region Sagaing sowie auch die einige Hundert Kilometer entfernte Hauptstadt Naypyidaw. Ersten Angaben zufolge sind allein in Myanmar mindestens 144 Todesopfer und mehr als 730 Verletzte verzeichnet worden.

Auf YouTube, Facebook und Instagram hochgeladene Fotos und Videos zeigen aufgerissene Straßen und eingestürzte oder zur Seite gekippte Gebäude. Dramatisch ist der Einsturz der 1.128 Meter langen Ava Brücke über den Fluss Irrawaddy. Ein Video des Kollapses der historischen Brücke mit ihren 16 stählernen Bögen geht in den sozialen Medien viral.

Thura Zin, (Name geändert, Anm. d. Red.), macht sich Sorgen um seine Familie in Mandalay. „Unser Haus ist eingestürzt“, sagt der junge Mann telefonisch der taz. Aber niemand von seiner Familie sei verletzt worden. Genaues weiß Thura Zin jedoch nicht. Um seine Angehörigen nicht zu gefährden, kann der in Bangkok lebende junge Mann nicht direkt mit ihnen kommunizieren. Er ist wehrpflichtig und die Junta droht Familienangehörigen mit Inhaftierung und Beschlagnahmung von Vermögenswerten, wenn sich Migranten durch den Aufenthalt im Ausland dem Wehrdienst entziehen.

Mandalay ist die vielleicht kulturell und religiös bedeutsamste Stadt Myanmars. Im 19. Jahrhundert war sie die Hauptstadt des damaligen Königreichs Birma. Bis heute sind Mandalay und die Region Sagaing das Zentrum des birmanischen Buddhismus – mit hunderten farbenprächtigen Klöstern und Pagoden in Mandalay sowie in den umliegenden Hügeln.

Stützen der Armee

Die Region ist aber auch das Kernland der Mehrheitsethnie der Birmanen. Jahrzehntelang waren sie die Stützen der Armee und der diversen Militärdiktaturen seit dem Putsch von 1962. Das hat sich aber spätestens seit dem Putsch vom 1. Februar 2021 völlig geändert.

Zusammen mit vielen ethnischen Minderheiten Myanmars haben sie dem Regime die rote Karte gezeigt und sich mehrheitlich dem bewaffneten Kampf gegen die Junta angeschlossen. Der Widerstand kontrolliert bereits rund die Hälfte des Landes und hat seit Ende 2024 den Kampf auch nach Sagaing und die Region Mandalay getragen.

Für die ohnehin durch den bewaffneten Widerstand militärisch sehr geschwächte Junta ist das Erdbeben auch eine politische Katastrophe. In Myanmar herrscht Bürgerkrieg, viele Gebiete sind schwer zugänglich und es ist nicht klar, welche Hilfsmaßnahmen das Militär leisten könnte. Diplomatische Initiativen zur friedlichen Lösung des Konflikts ignorierte die Junta bisher stoisch. Die höchst ungewöhnliche Bitte der Junta um internationale Hilfe wenige Stunden nach den Erdstößen wird daher als Eingeständnis gesehen, selbst weder finanziell noch organisatorisch für Hilfe sorgen zu können.

Die Menschenrechtsorganisation „Burma Campaign UK“ betonte am Freitag auf X: „Regierungen und Organisationen, die der Bevölkerung Burmas nach dem Erdbeben helfen wollen, müssen sich darüber im Klaren sein, dass es im Land mehrere Regierungen gibt. Die Bevölkerung wehrt sich gegen die burmesische Militärbesatzung. Die Hilfe sollte sich nicht nur auf die vom burmesischen Militär besetzten Gebiete beschränken.“

Millionen auf der Flucht

In Myanmar sind mehr als 3,5 Millionen Menschen auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg. Hilfslieferungen in die Lager der Flüchtlinge werden immer wieder von der Armee behindert oder gar ganz unterbunden.

Unter den Toten sind laut myanmarischer Exilmedien auch mindestens fünf Kinder, die bei dem Einsturz eines buddhistischen Klosters in Taungoo gestorben sein sollen. Bei dem Einsturz einer Moschee ebenfalls in Taungoo seien 14 Menschen ums Leben gekommen. Berichten zufolge sei der Andrang von Verletzten in einem Krankenhaus in Naypyidaw so groß, dass viele Verletzte bereits im Freien behandelt werden müssten.

Das Erdbeben war auch in den Nachbarländern Indien, China, Laos und vor allem Thailand (bis zum Abend wurden drei Tote gemeldet) zu spüren. In mehr als 1.200 Kilometer entfernten Bangkok stürzte der Neubau eines Hochhauses ein und verschüttete Dutzende Arbeiter. Die Erde erzitterte in der thailändischen Metropole so stark, dass aus den Swimmingpools auf den Dächern von Hochhäusern das Wasser in die Tiefe schwappte.

Eine 82 Jahre alte Deutsche, die seit Jahren in Bangkok lebt, erzählt: „Erst dachte ich, mir sei schwindlig, bis die Uhrpendel an die Wand schlugen und die Schiebetüren von selbst auf und zu gingen. Es war heftig. In meinem Appartement gab es keine Schäden, dafür einige leichtere in unserem Wohnhaus.“ Auf eine Evakuierung habe sie verzichtet. „Der Fahrstuhl war abgestellt und zu Fuß hätte ich es mit meiner Gehbehinderung nicht vom 12. Stock hinunter ins Freie geschafft.“

Das Epizentrum des Bebens vom Freitag habe nach Angaben des GFZ Helmholtz-Zentrums für Geoforschung in Potsdam in der Sagaing-Verwerfung gelegen, wo sich auch die Stadt Mandalay befindet. Hier treffen die die Indische Kontinentalplatte und die Eurasische Platte aufeinander. Die Sagaing-Verwerfung – Seismologen gehen von einer Bruchlänge von mehr als 100 Kilometern aus – gehört zu den geologisch gefährlichsten Gebieten Myanmars. Die Erdbebenexperten warnen vor der Möglichkeit weiterer schwerer Beben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!