Erdbeben, Erdrutsche und Überschwemmungen: Vertraue in der Not nur nicht auf den Staat
■ Italiens Regierende machen den Opfern von Katastrophen immer wieder gern große Versprechungen. Die Wirklichkeit sieht so aus, daß viele jahrelang in Notunterkünften leben
Italiens Politiker und Behördenvertreter sind unumstrittene Weltmeister, wenn es darum geht, nach Naturkatastrophen große Versprechungen zu machen. Innerhalb weniger Tage sei die größte Not beseitigt, in einem Vierteljahr der Wiederaufbau im Gang. Im Winter darauf könne jede Familie schon wieder im gemütlichen Heim verbringen, vielleicht sogar schöner wohnen als vorher.
Die Realität sieht anders aus. Mehr als 30 Erdbeben mit Todesopfern und Obdachlosen hat Italien in der Nachkriegszeit erlebt, 600 Erdrutsche alleine die besonders gefährdete Gegend um Neapel, zwei Dutzend Überschwemmungen des oberitalienischen Po. Von den Opfern, die dabei ihr Dach über dem Kopf verloren, lebten durchschnittlich mehr als 60 Prozent noch drei Jahre nach der Katastrophe in Notunterkünften oder in allenfalls provisorisch wiederhergestellten Häusern.
Auch von den Menschen, die nach dem letzten Beben um Assisi im vergangenen September Haus und Hof verloren, kampieren immer noch über zwei Drittel in Unterkünften, die seinerzeit in aller Eile zusammengezimmert worden waren.
Das verheerende Erdbeben im Belicetal auf Sizilien mit mehr als 2.000 Toten ereignete sich 1968. 1982, als Papst Johannes Paul II. seinen Antrittsbesuch auf der Mittelmeerinsel machte, wurden noch Hunderte von Bewohnern der Wellblechbaracken eiligst weggekarrt. Nach der Visite des Heiligen Vaters mußten sie wieder zurück.
Nach dem Erdbeben von Pozzuoli wurden drei große Siedlungen gebaut. Nur: Erdbebengeschädigte sind dort kaum eingezogen, die Wohnungen wurden großenteils per Schmiergeld vergeben, die Pozzuolaner kehrten in ihre alten baufälligen Häuser zurück.
Lediglich nach dem großen Beben im Friaul 1976 gab es keine Verzögerungen. Die betroffenen Gebiete gehören heute zu den wirtschaftlich führenden des Landes. Das Geheimnis dieser Ausnahme: Die Menschen hatten nicht auf den Staat vertraut, sondern die Ärmel hochgekrempelt und sich sozusagen selbst aus dem Geröll gezogen.
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