: „Er war ein Arschloch“
PERFORMANCE Zum Jubiläum des Europahafens ersteht Rüstungskaiser Wilhelm II. wieder auf
48, Kulturpädagogin, arbeitet als Moderatorin, Musikerin und Performance-Künstlerin in Bremen.
taz: Frau Wilhelm, Ihre Performance im Gedenken an die Eröffnung des Europahafens durch Kaiser Wilhelm II. – ist das ernst gemeint?
Frauke Wilhelm: Kann man das ganz ernst meinen? Wir haben aber Teile seiner alten Reden da mit eingebaut – und irgendwie passt es auch auf heute.
Inwiefern?
Bremen versucht ja immer wieder, durch den Handel groß in der Welt rauszukommen.
Ist so eine Würdigung jenes Kaisers als „Weserkorrigierer, Hafen- und Industriebauer“ mit durch die Luft gewirbelten Hüten im Publikum nicht etwas neofeudalistisch?
(lacht) Typisch taz!
In Bremerhaven hat er bei seiner Hunnenrede gesagt: „Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!“
... und nie wieder soll ein Chinese uns scheel anschauen, das hat er auch gesagt. Er war ein Arschloch!
Weswegen feiert man ihn dann mit einer Performance?
Das ist unsere Antwort auf die 125-Jahr-Feier des Europahafens! Wir kommen mit Pomp und Getöse in den Hafen gefahren, mit zwei Wallküren, die sirenenhaft singen. Dazu spielen wir schreckliche Marschmusik – das Ganze ist sehr schräg und man wird sehen, dass das nicht ernst gemeint ist, auch die Rede wird das ganz deutlich machen. Kritik vermittelt sich auch durch so eine Performance und ihre Zwischentöne. Die Leute verstehen das sehr gut, auch ohne dass man dazu sagt: Wir finden, dass Kaiser Wilhelm II. ein militantes, antisemitisches Schwein war. Aber das, was hier 1888 gefeiert worden ist, ist die kreativste und risikoreichste Unternehmung, die es in Bremen damals gab. Da wurde für viel Geld ein Hafen mit der AG Weser und der Rolandmühle gebaut, obwohl lange noch nicht klar war, ob das mit der Weservertiefung überhaupt klappt!
Also zugleich ein Plädoyer für die Weservertiefung?
Ach, die taz! (lacht) Ja. Nein. Ich möchte da nicht der Richter sein. Es ist ein Plädoyer dafür, dass sich viele Leute mit großen und kleinen Ideen und Projekten behaupten und Bremen immer wieder zu einer tollen, lebenswerten Stadt machen.
INTERVIEW: JAN ZIER
Golden-City-Performance: Sonntag, 16 Uhr, Anleger Europahafen. Open-Air, Eintritt frei