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Enttäuschung bei den Grünen, Streit bei der SPD

■ Nach der Wahlniederlage der SPD beginnt der Streit über die Fortsetzung der Großen Koalition oder die Tolerierung einer CDU-Minderheitsregierung

Berlin (taz) – Wenige Minuten nach Schließung der Wahllokale glaubte bei der SPD nur noch ein Mensch, daß die Abrechnung in der Partei moderat ablaufen wird – der Wahlkampfmanager von Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer. Kurz darauf mußte auch er die Niederlage eingestehen. „Ein Kopfabschlagen wird es aber nicht geben“, meinte der Wahlkampfmanager Stahmers.

Die Spitzenkandidatin selbst, die ihrer Partei das bislang schlechteste Wahlergebnis in Berlin bescherte, sprach von einer „schweren Niederlage“. Schuld daran, so Stahmer, seien unter anderem die Streitereien der SPD auf der Bundesebene, die auch in Berlin alles andere überlagert hätten. Der SPD-Bausenator Wolfgang Nagel, der während des Wahlkampfs keinen Zweifel an seiner Sympathie für ein rot-grünes Bündnis gelassen hatte, bemerkte, das Ergebnis für die SPD sei kein Denkzettel, sondern eine „strukturelle Niederlage“.

Während der Wahlsieger Eberhard Diepgen (CDU) auch künftig „keine Alternative zur Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten“ sah, begann in der SPD bereits gestern abend der Streit darüber, ob man die Große Koalition mit der CDU fortsetzen solle oder in die Opposition gehen und eine CDU-Minderheitsregierung unterstützen solle. Noch-Wirtschaftssenator Norbert Meisner schloß nicht aus, daß die SPD in die Opposition gehen könnte. „Kein Parteitag wird jetzt noch sagen: Weiter so!“ SPD-Landesschatzmeister Klaus-Uwe Bennetter, ein Vertreter des linken Flügels, meinte, angesichts eines solchen Ergebnisses könne man nicht von einem Auftrag zur Regierungsbildung sprechen.

Eine Tolerierung eines rot-grünen Minderheitssenats mit Hilfe der PDS schlossen die Sozialdemokraten allerdings nachdrücklich aus. „Es gibt weder eine Tolerierung noch irgendeine andere Allianz mit der PDS“, sagte der Fraktionschef der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus, Klaus Böger.

Enttäuschung bestimmte gestern auch die Stimmung bei den Berliner Bündnisgrünen. Die Partei, die mit dem Slogan „Der Wechsel ist fällig“ angetreten war, hatte trotz deutlicher Stimmengewinne das Wahlziel verfehlt. Angesichts des Scheiterns eines rot-grünen Bündnisses riet Wieland der SPD, in die Opposition zu gehen.

Galgenhumor bewies dagegen die FDP. Bei der Wahlparty der Liberalen in Berlin-Mitte spielte eine Kapelle kurz nach der ersten Hochrechnung den „Letzten Tango“. Aus einer Mischung von Galgenhumor und Enttäuschung grummelte ein Bezirksfunktionär: „Ich hoffe, daß wir nicht zur APO werden.“ wera

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