Entspannte 1.-Mai-Mobilisierung: Alles ruhig, außer der CSU
6.000 Polizisten sollen für einen friedlichen 1. Mai sorgen. Der könnte tatsächlich kommen: Die linke Szene mobilisierte unaufgeregt wie lange nicht.
Deeskalation und "ausgestreckte Hand" lautet auch in diesem Jahr das Konzept der Polizei für den 1. Mai. Solange alles friedlich bleibe, halte sich die Polizei zurück, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Sollte es aber Straftaten geben, werde man konsequent durchgreifen. Das Deeskalationskonzept habe sich bewährt und sei alternativlos.
Rund 6.000 Polizisten sollen rund um den 1. Mai im Einsatz sein, viele davon aus anderen Bundesländern. Laut Körting sind die Beamten auch für spontane, dezentrale Aktionen der linken Szene gewappnet. Bereits für die Walpurgnisnacht stünden 3.000 Einsatzkräfte bereit. Für Berlins obersten Polizisten wird es der letzte 1. Mai im Amt sein: Polizeipräsident Dieter Glietsch verabschiedet sich nach neun Jahren Dienst in der Hauptstadt zum 1. Juni in den Ruhestand. Ein Nachfolger ist noch nicht benannt.
In den rechtsstaatlichen Ruhestand verabschiedete sich die CSU: Deren Innenexperte im Bundestag, Hans-Peter Uhl, forderte, "polizeibekannte Krawallmacher" vor dem 1. Mai in "Präventivhaft" zu nehmen. Die rot-rote Landesregierung dürfe sich nicht Jahr für Jahr auf der Nase herumtanzen lassen. "Krawalle dürfen nicht als eine Art Berliner Folklore verharmlost werden."
Glaubt man Körting, geht das an den Kreuzberger Realitäten vorbei. In Interviews warf der Innensenator der linksradikalen Szene vor, Demonstranten auf "perfide Art" zu instrumentalisieren. Autonome Rädelsführer würden zu Gewalt aufstacheln, würden selbst aber fast nie verhaftet. Menschen "ohne politische Vorerkenntnisse" ließen sich dagegen eher bei Straftaten am 1. Mai erwischen. Die Szene stürze so "andere ins Unglück", so Körting.
Nach einem krawalligen 1. Mai 2009 verlief der Tag im Vorjahr so friedlich wie lange nicht. Das könnte sich in diesem Jahr fortsetzen: Die Mobilisierung der linken Szene verlief unaufgeregt. Der letzte Großaufreger - die Räumung der Liebig 14 - liegt Wochen zurück. Zudem hatten die Organisatoren der oft randaleträchtigen 18-Uhr-Demo eine Repolitisierung ihrer Demo angekündigt. Es gehe um eine"lokal angebundenen Gentrifizierungskritik" und die Demoroute führe erstmals auch deshalb nach Neukölln, um eine "gewisse Klientel an Alkohol- und Krawalltouristen" vom Myfest fernzuhalten, s ein Bündnissprecher.
Einen alternativen Aufruf einer Einzelperson zu einer "Evolutionären 1. Mai-Demo" verbot die Polizei am Freitag. Der Aufzug wäre auf fast gleicher Route wie die 18-Uhr-Großdemo verlaufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“