Kommentar von Anna Lehmann zum dritten Entlastungspaket der Bundesregierung
: Ampel hilft sich selbst

Wuchtig sollte es sein, maßgeschneidert, zielgenau – mit diesen Attributen schraubte die Ampel die Erwartungen an das dritte Entlastungspaket selbst in die Höhe. Am Sonntag lieferte sie es aus. Wuchtig fällt es auf den ersten Blick aus, 65 Milliarden Euro, davon über 30 Milliarden aus dem Haushalt, sind keine Summen, die man mal eben aus der Portokasse nimmt.

Ob das Paket aber zielgenau ist, ob also die entlastet werden, die es wirklich nötig haben, lässt sich noch nicht abschließend beantworten. Die berechtigte Befürchtung ist, dass es hinten und vorn nicht passt. Arme sind weiterhin arm dran, für die untere Mittelschicht reichen die Kompensationen nicht aus, während Gutverdienenden Geld hinterhergeworfen wird und – das steht schon fest – an die richtig Reichen traut sich die SPD-geführte Regierung sowieso nicht ran. Gut, einige der Päckchen, die SPD, FDP und Grüne im 22-stündigen Sitzungsmarathon geschnürt haben, sind richtig und hochwillkommen. Dazu gehört etwa die Reform des Wohngeldes. Derzeit profitieren trotz rasant gestiegener Mieten nur 630.000 Menschen von dieser Form staatlicher Unterstützung, künftig sollen es bis zu 2 Millionen sein. Wohn­geld­emp­fän­ge­r:in­nen sollen außerdem dauerhaft einen Heizkostenzuschuss bekommen.

Studierende und Rent­ne­r:in­nen werden sich wohl über 200 und 300 Euro Energiepreispauschale freuen.

Aber: All diese Päckchen kommen frühestens im Dezember an, die meisten erst im nächsten Jahr. Die Heizung werden die Menschen aber schon ab Oktober aufdrehen, dann werden auch die gestiegenen Heizkosten durchschlagen. Und jene, die mit Gas heizen müssen, bezahlen dann auch die Gasumlage mit. Der von der Ampel in Aussicht gestellte Preisdeckel wird erst eingeführt, wenn die angekündigte Regulierung des Energiemarktes vollbracht ist. Ob und wann das klappt, ist völlig ungewiss. Viele europäische Länder warten deshalb nicht auf eine europäische Lösung, um Übergewinne zu verhindern, sondern schöpfen sie einfach per Übergewinnsteuer ab. Deutschland ziert sich aus dem bekannten Grund, und der heißt Christian Lindner.

Für Emp­fän­ge­r:in­nen von Hartz IV hat die Ampel nur die Botschaft übrig, dass ab Januar wie angekündigt das Bürgergeld kommt und die tatsächliche Inflation sich in den Sätzen widerspiegeln wird. An der Berechnungsmethode, mit der das Existenzminimum kleingerechnet wird, soll sich indes nichts ändern.

Ein Versprechen hat die Ampel allerdings ­gehalten: Sie hat angekündigt, das Entlastungspaket pünktlich vor Beginn der Haushaltsverhandlungen abzuliefern. Puh, entlastet. Der ­Koalitionsfriede ist gerettet. Der soziale Friede nicht.