Entlassungen bei „Schulküchen“-Verein: Caterer mit Geschmäckle
Der „Schulküchen“-Verein entlässt 60 MitarbeiterInnen. Die Frage nach den Hintergründen führt zu merkwürdigen Strukturen der Bremer Schulverpflegung.
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Im vergangenen Herbst hat laut der Gewerkschaft NGG Fabian Scholz, Betriebsratsvorsitzender der Schulküche, versucht, in den Verein einzutreten – und wurde abgewiesen. Begründung: Es gebe einen Aufnahmestopp. Er selbst will sich auf Anfrage aus „taktischen Gründen“ nicht dazu äußern.
Küchen-MitarbeiterInnen vermuten, dass der Betriebsrat ein rotes Tuch für Reif ist, weil er seit Jahren Aufklärung darüber verlangt, was ihr Ehemann Michael Thun als „Berater“ bei ihr verdient.
Thun selbst sagt, er sei dagegen, dass Mitglieder des Betriebsrates den Betrieb fortführen, weil er die Gefahr sehe, dass sie den Mindestlohn und die „Bio-Schiene“ aufgeben würden. Zudem sei es „einfacher“, einen neuen gemeinnützigen Träger zu gründen als einen bestehenden Verein an einen neuen Vorstand zu übergeben. Immerhin müsse der alte Vorstand im Folgejahr ja auch entlastet werden.
Eigentlich geht es bei der Arbeit des Schulküchen-Vereins um einem guten Zweck: Kinder sollen möglichst gesundes Mittagessen bekommen. Der Senat hat sich diesem Ziel unter dem Logo „BioStadt 2015“ verpflichtet: Alles „bio“, das ist das Ziel. Das Problem: Niemand will mehr Geld für die Verpflegung der Kinder zahlen.
So gibt es seit Jahren eine Referentin beim Umweltressort und eine vom Bund und dem Bremer Bildungsressort finanzierte „Vernetzungsstelle“, die sich an dem Problem abarbeitet. Diese Stelle wird geleitet von Michael Thun, der dafür prädestiniert war, weil er 2006 den Schulküchen-Verein an der Waldorfschule in Osterholz gegründet hatte. Als er Leiter der Vernetzungsstelle wurde, schied er aus dem Verein aus, um Interessenkollisionen zu vermeiden, neue Vorsitzende wurde seine Frau.
Inzwischen hat der Verein über 60 MitarbeiterInnen und macht einen Umsatz rund zwei Millionen Euro im Jahr. Der organisatorische Kopf sei nach wie vor Michael Thun, sagen Mitarbeiter, die formelle Vorsitzende trete kaum in Erscheinung. Ohne ihn hätte der Verein „keine Chance“, bestätigte Reif gegenüber der taz: „Mein Mann ist Mathematiker, der kann rechnen.“
Thun bietet unter dem Logo „Esscooltur“ auch Beratungen an und firmiert damit unter derselben Adresse wie die „Vernetzungsstelle“, nutzt denselben Büroraum und gelegentlich auch das Personal. „Typischer Bremer Filz“, sagen andere Schul-Caterer – aber nur hinter vorgehaltener Hand, da sie, so sagen sie, den Eindruck hätten, dass die Bildungsbehörde diese Struktur decke. Und von der wollten alle Geld bekommen.
Thun sagt, er bekomme von dem gemeinnützigen Schulküchen-Verein seiner Frau um die 10.000 Euro als Beraterhonorar im Jahr. Dokumente, die der taz vorliegen, erwecken indes den Eindruck, dass es sehr viel mehr sein könnte: Allein in den Monaten November und Dezember 2015 hat sich Thun danach vom Postbank-Konto des Vereins selbst in drei Tranchen insgesamt 11.816,70 Euro überwiesen, bis zum Juni 2016 dann noch einmal insgesamt 17.394,94 Euro.
Dank seiner Kontovollmacht für das Vereinskonto konnte er das Geld direkt auf sein Privatkonto und sein „Esscooltur“-Konto überweisen. Die damalige Geschäftsführerin des gemeinnützigen Schulküchen-Vereins legte deswegen 2016 ihren Posten nieder.
Thun erklärt, es gebe einen „Vertrag“ über seine Beratertätigkeit, der sei aber nicht mit der Geschäftsführerin geschlossen worden, sondern „am Anfang mit der Mitgliederversammlung des Vereins“. Der Betriebsrat weiß davon allerdings nichts und wüsste gern, was an den Gerüchten dran ist. Denn die könnten erklären, warum seine Frau die Vereinsakten nicht an MitarbeiterInnen übergeben will, sondern lieber den Verein auflöst und 60 MitarbeiterInnen entlässt.
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