Entkriminalisierung von Cannabis: Theoretische Mehrheit im Bundestag
FDP, Linke und Grüne bringen Vorschläge zur Liberalisierung der „weichen Droge“ ein. Auch die SPD scheint nicht abgeneigt.
Kiffer dürften einatmen – im Deutschen Bundestag besteht eine theoretische Mehrheit, die die Entkriminalisierung des Cannabiskonsums vorantreiben will. Die Bundestagsfraktionen von FDP, Linken und Grünen stellen am Donnerstagabend ihre Vorschläge zu dem Thema im Parlament zur Debatte. Das Novum: Auch die SPD hat signalisiert, dem Vorhaben grundsätzlich positiv gegenüberzustehen.
Nach Jahren fruchtloser Diskussionen könnte nun also Bewegung in die Sache kommen. Bisher hatte sich die Regierung aus Gründen des Jugendschutzes der Liberalisierung von Cannabis verwehrt. Mit einer kurzfristigen Entscheidung ist jedoch in keinem Fall zu rechnen – die drei Vorlagen werden zunächst an die Ausschüsse überwiesen.
Zudem ist es höchst unwahrscheinlich, dass sich die SPD einer Mehrheit gegen den erhofften Koalitionspartner anschließt – die Union lehnt eine Lockerung des Umgangs mit Cannabis ab. Die Sozialdemokraten wollen das Thema aber nutzen, um sich zu profilieren.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Sabine Dittmar, begründet die Positionierung ihrer Fraktion mit dem Wunsch, „gesellschaftlichen Realitäten ins Auge zu sehen“. Am Mittwoch warb zudem der Berliner SPD-Fraktionschef für einen entspannteren Umgang mit Cannabis.
Grüne für „Cannabiskontrollgesetz“
Die Sozialdemokratie liegt damit ganz auf der Linie der FDP. Von den drei zur Diskussion gestellten Entwürfen ist der der Liberalen allerdings der vorsichtigste. Er sieht lediglich die Genehmigungen einzelner Modellprojekte zur kontrollierten Abgabe von Cannabis vor. Der Antrag der Linksfraktion geht weiter. Der Besitz von bis zu 15 Gramm der Droge soll demnach entkriminalisiert werden. „Es ist an der Zeit, die unsägliche Prohibitionspolitik zu beenden“, erklärte Niema Movassat, drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion.
Die Grünen versuchen mit ihrem „Cannabiskontrollgesetz“ den großen Wurf. Demnach soll nicht nur der Besitz der Droge ab dem Alter von 18 Jahren und bis zu einer Menge von 30 Gramm legal werden. Das decke eine typische Monatsration und ermögliche zudem eine „begrenzte Bevorratung“, was einer unnötigen Kriminalisierung von Privatpersonen vorbeuge.
Darüber hinaus streben die Grünen an, die gesamte Handelskette vom Anbau über Import und Export bis zum Verkauf staatlich zu regulieren. Der Vertrieb in Cannabisfachgeschäften ermögliche sowohl eine Kontrolle des Marktes und der Qualitätsstandards als auch einen wirksamen Jugendschutz. „Auf dem Schwarzmarkt fragt niemand nach dem Ausweis“, bekräftigt Kirsten Kappert-Gonther, drogenpolitische Sprecherin der Grünenfraktion. Die Spezialgeschäfte sollen zudem nicht in der Nähe von Schulen betrieben werden dürfen.
Als Schmankerl ihres Modells bewerben die Grünen die dadurch entstehenden Steuereinnahmen. Bis zu 2 Milliarden Euro im Jahr könne der legalisierte Handel mit Cannabis in die Staatskassen spülen. Den noch nicht genau zu beziffernden Bürokratiekosten der umfassenden Marktregulierung stünden zudem Einsparungen von bis zu 1,8 Milliarden Euro durch die Entlastung von Staatsanwaltschaften, Polizei, Gerichten und Vollzugsanstalten gegenüber.
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