Entkriminalisierung und Legalisierung: Alternative Drogenpolitik

Philine Edbauer und Rüdiger Schmolke im Gespräch über repressive Drogenpolitik und Alternativen dazu.

Wie können Alternativen zur repressiven Drogenpolitik aussehen? Foto: Fathromi Ramdlon/Pixabay

Jedes Jahr gibt es in Deutschland hunderte Drogentote. Außerdem gibt es Hunderttausende, die suchtkrank sind oder einen problematischen Konsum aufweisen. Sind das die Früchte einer jahrelangen Verbotspolitik, welche wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Drogen und Sucht ignoriert?

Massive Nachfrage nach berauschenden Substanzen, starke Kriminalisierung und steigender Verfolgungsdruck: Der eigentliche Systemwechsel aus diesem „vicious circle der Prohibition“ heraus kann nur in Form einer Neuregulierung vollzogen werden, so der Politikwissenschaftler Rüdiger Schmolke im taz Talk. Gewalt, Risikozuschläge und Anreize durch die Ausgrenzung von Konsument:innen müssten ein Ende haben.

Wann: Do. 01.04.21, 19 Uhr

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Kontakt: taztalk@taz.de

Durch Prohibition wird Drogenkonsum nicht vermieden, sondern lediglich unsicherer. Sozialwissenschaftliche und medizinische Erkenntnisse zeigen, dass erhebliche gesundheitliche Schäden nicht durch die Substanzen selbst, sondern durch Streckmittel und sich dadurch verschlechternde Qualität oder falsche und überdosierte Einnahme aufgrund mangelnder Aufklärung entstehen.

Die aktuelle Drogenpolitik scheint dieses Wissen zu ignorieren und setzt weiterhin auf Abstinenz – das vorherrschende Paradigma zum staatlichen Umgang mit Drogen. Illegale Drogen werden zwangsläufig negativ mit Abhängigkeit, Gewalt, organisierter Kriminalität assoziiert, dabei sind das die Folgen des gesellschaftlichen Umgangs mit den Substanzen und nicht die „Bösartigkeit“ der Substanz per se.

Dekriminalisierung und Legalisierung

Die Hauptargumente für die Prohibition sind wissenschaftlich entkräftet, denn es gibt keinen nennenswerten Zusammenhang zwischen Legalitätsstatus und Konsumniveau. Trotzdem hält der Staat an der repressiven Drogenpolitik fest und kriminalisiert diejenigen, die willentlich in Kontakt mit illegalen Betäubungsmitteln kommen.

Doch es gibt Alternativen dazu, seit Jahrzehnten kämpfen Aktivist:innen für eine Entstigmatisierung von Konsument:innen und Dekriminalisierung oder gar Legalisierung diverser Betäubungsmittel.

Laut Rüdiger Schmolke muss Entkriminalisierung als ein erster Schritt begriffen werden, der möglichst schnell und umfassend erfolgen muss, weil er Menschenleben retten und Hilfe- und Unterstützungsmöglichkeiten auf ganz andere Füße stellen kann. Mehr Schutz und Aufklärung von vulnerablen Gruppen sowie eine streng regulierte Abgabe, fordert Rüdiger Schmolke.

Nur zu legalisieren reicht nicht, denn damit sollen auch Hilfsangebote geschaffen und Aufklärung vorangetrieben werden, um einen sicheren Konsum zu ermöglichen und Abhängigkeiten sowie Drogenmissbrauch präventiv entgegenzuwirken.

„Natürlich ist Drogenkonsum immer ein Risiko, aber es muss jedem Menschen zugestanden werden, positive Erfahrungen mit Drogen machen zu dürfen. Das Ziel muss nicht sein, abstinent zu werden, es kann eine Option sein, die man sich selbstbestimmt aussuchen darf. Sich Hilfe zu suchen, mit Drogen nicht klar zu kommen, Fragen zu stellen und sich Informationen einzuholen, muss ebenfalls möglich sein. Wir müssen lernen enttabuisiert über Risiken zusprechen. Genau das ist akzeptierende Drogenarbeit.“, sagt Philine Edbauer im taz talk.

Darüber, wie eine solche akzeptierende Drogenpolitik aussehen, welche sowohl wirtschaftlichen als auch sozialpolitischen Vorteile sie mit sich bringen könnte und wie sie in der Realität umsetzbar wäre, hat Anastasia Tikhomirova im taz Talk mit Philine Edbauer und Rüdiger Schmolke gesprochen.

Unsere Gäste

Philine Edbauer hat 2017 die Initiative #mybrainmychoice gegründet, die Gespräche über Themen rund um Konsum, Produktion sowie Handel aller psychoaktiven Substanzen fördert und die öffentliche Diskussion um die Gestaltung einer wünschenswerten Drogenpolitik anregt. #mybrainmychoice erwartet von den Verantwortlichen der Bundesregierung den Einsatz für eine Drogengesetzgebung, die dem wissenschaftlichen Stand entspricht und die Schäden der Prohibition korrigiert. Dies kann durch die Beauftragung einer transdisziplinären und unabhängigen Kommission gelingen.

Rüdiger Schmolke, MA Politikwissenschaft, Master of Public Health und ist Systemischer Organisationsentwickler und -berater. Seit 1996 ist er aktiv in den Bereichen Sucht- und Drogen(politik)forschung, Gesundheitsförderung, Suchtprävention und Suchthilfe und Dozent unter anderem an der Fachhochschule Potsdam. Er ist Vorstandsmitglied bei akzept e.V. Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und im SONICS e.V. Bundesverband für Safer Nightlife. Aktuell ist er außerdem Referent für Erwachsenenbildung beim Chill out e.V. Potsdam und Koordinator des Projekts SONAR - Safer Nightlife Berlin.

Anastasia Tikhomirova ist Journalistin, taz Lab-Redakteurin und hat Kulturwissenschaft und Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin studiert.

Anregungen und Fragen nehmen wir mit Freuden entgegen über taztalk@taz.de.

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