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Entführung von Trinh Xuan ThanhVietnamese gesteht Mittäterschaft

Fast ein Jahr nach der Entführung eines vietnamesischen Geschäftsmanns in Berlin hat ein mutmaßlicher Mittäter gestanden. Das ist Teil eines Deals.

Der mutmaßlich in Berlin entführte Trinh Xuan Thanh, hier vor Gericht in Hanoi Foto: dpa

Berlin taz | Am Ende legt der Angeklagte doch ein richtiges Geständnis ab. Long N.H., 47 Jahre alt, lässt es einen seiner Verteidiger verlesen. Er gibt zu, dass er Teil einer Entführung war, organisiert vom vietnamesischen Geheimdienst. Er sei in den Tatplan eingeweiht worden, gesteht er, bevor er das erste Mal ein Auto für die Entführer angemietet habe. „Mir war bekannt, dass ein gesuchter Krimineller nach Vietnam gebracht werden soll, der viel Geld veruntreut hat und sich in Berlin mit seiner Geliebten trifft.“ Er habe sich bereit erklärt, „Hilfe zu leisten“ – obwohl er gewusst habe, dass Vietnam kein Rechtsstaat sei.

Das Geständnis an diesem Dienstag ist Teil eines sogenannten Deals: N.H. gibt die Tat zu, er bekommt dafür eine mildere Strafe – der Prozess vor dem Berliner Kammergericht kann abgekürzt werden. Am kommenden Montag werden wohl die Plädoyers gehalten. Aller Voraussicht nach wird N.H. dann wegen ausländischer Agententätigkeit und Beihilfe zur Freiheitsberaubung zu einer Haftstrafe zwischen dreieinhalb und fünf Jahren verurteilt.

Der Entführungsfall des Ex-Politfunktionärs Trinh Xuan Thanh am 23. Juli 2017 mitten in Berlin hatte die Beziehungen zwischen Deutschland und Vietnam erschüttert. Das Opfer ist mittlerweile in Hanoi zu zweimal lebenslänglich verurteilt worden.

N.H., der ein Geldtransferbüro in Prag betreibt, ist der einzige mutmaßliche Täter, den die deutschen Strafverfolger dingfest machen konnten. Dass er seine Tatbeteiligung gesteht, liegt daran, dass das Gericht angedeutet hat, dass es von seiner Schuld ausgeht. Der dringende Tatverdacht gegen ihn habe sich in den ersten 13 Verhandlungstagen verfestigt, heißt es. Der 3. Strafsenat wies damit den Antrag der Verteidigung zurück, N.H. aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Keine „bloße Gehilfentätigkeit“

Laut Gericht spielte er eine „durchaus wichtige Rolle für die Vorbereitung der Tat, deren Durchführung und vor allem die beabsichtigte Verschleierung der Entführung“. Was er getan habe, sei weder eine „bloße Gehilfentätigkeit“ noch ein „gänzlich untergeordneter Tatbeitrag“, selbst wenn er an der Ergreifung und dem Abtransport des Opfers nicht direkt beteiligt war.

Fast wäre der Deal am Dienstag geplatzt. N.H. hatte nämlich erst behauptet, er habe nicht Bescheid gewusst, worum es wirklich bei der Aktion gegangen sei. Er habe nur einem Verwandten und guten Freund einen Gefallen tun wollen. Ihm sei gesagt worden, es handelte sich um eine geheime und wichtige Sache in Berlin. Stück für Stück habe er dann erfahren, dass ein Verbrecher festgenommen worden sei, der nach Vietnam gebracht werden solle. „Das war mir sehr unangenehm.“

Diese Version glaubten ihm weder die Richterinnen noch die Vertreter des Generalbundesanwalts. Nach einer Besprechung mit seinen Verteidigern entschuldigte sich der Angeklagte. Er habe aus Angst um seine Familie nicht die volle Wahrheit gesagt. Anschließend legte er mit dem echten Geständnis nach. „Der Angeklagte hat seinen Teil der Verständigung geleistet“, sagte die Vorsitzende Richterin Regine Grieß anschließend.

Abgeschlossen ist der Fall auch nach der Verurteilung nicht. Der Generalbundesanwalt ermittelt nach wie vor gegen mindestens vier Männer, die an der Entführung beteiligt gewesen sein sollen: Den Vizechef der vietnamesischen Staatssicherheit Duong Minh Hung, zwei Entführungshelfer aus Prag und seit Kurzem auch gegen einen Mann aus Berlin. Der 56-jährige Imbissbetreiber war ins Visier der Ermittler geraten, weil er auffällig häufig mit mehreren Entführern telefoniert hatte.

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