: Entenhausen ist überall, nur nicht in Marzahn
■ Lesung des Kaufhauserpressers Dagobert stößt im Plattenbezirk auf geringes Interesse
Die Marzahner wollen mit kriminellen Machenschaften nichts zu tun haben: Während Lesungen des charismatischen Kaufhauserpressers Arno Funke alias „Dagobert“ im Westen in der Regel proppevoll sind, läuft der Vorverkauf für seine morgige Lesung in Marzahn schleppend. Der Leiter des Freizeitforums Marzahn (FFM), Manfred John, kann nur Vermutungen über die Ursachen anstellen: „Vielleicht haben ihn die Leute schon vergessen.“ Andererseits räumt er ein, dass die Werbung für die Lesung sehr zurückhaltend ist. Das hat gute Gründe. Zu groß ist die Angst vor dem Vorwurf, einem Kriminellen ein Forum zur Verherrlichung seiner Taten zu liefern. Vielleicht liegt es aber auch an den Eintrittspreisen: Bei 21 Mark will der Funke für Funke nicht so recht überspringen.
Vor zwei Wochen hatte das Erscheinen Funkes auf einem Fest des Sterns für Empörung in der Bevölkerung und der Justizverwaltung gesorgt: Genauer gesagt waren es Fotos, auf denen Funke zwischen BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel und SPD-Spitzenkandidat Walter Momper zu sehen war. Dabei musste sich Funke von Henkel kritische Anmerkungen zu seinem Fall anhören. Momper soll ihm versichert haben, dass die SPD für Resozialisierung ist. Obwohl Funke längst nicht allen Anfragen der Medien nachkommt und als Freigänger gehalten ist, auch soziale Kontakte zu pflegen, untersagte ihm die Justizverwaltung kurzfristig alle Auftritt außerhalb der Stadt, sodass er eine wenige Tage später geplante Lesung in Halle absagen musste. Auftritte in Berlin hingegen darf er weiterhin wahrnehmen. Denn zur Resozialisierung gehört es auch, dass er Termine wahrnimmt, die mit seiner beruflichen Tätigkeit als Autor zu tun haben. Derzeit schreibt er an einem Drehbuch für einen Film, der in Berlin spielt und mit „Ungesetzlichkeiten“ zu tun hat.
Doch ein Gutes hat der Auftritt beim Stern gehabt: Als die Boulevardzeitungen Fotos von Funke mit einer Frau an seiner Seite abdruckten und fälschlicherweise schrieben, dass das seine neue Freundin sei, ist eine so genannte self-fulling prophecy eingetreten: Seitdem ist sie seine Freundin. B. Bollwahn de Paez Casanova
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