Enteignungen von Banken möglich: Der Hypo-Staat
Künftig können marode Banken verstaatlicht werden. Dazu hat das Kabinett ein Gesetz auf den Weg gebracht, das dieses Vorgehen erlaubt. Adressat des Gesetzes: die Hypo Real Estate.
Die angeschlagene Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) könnte demnächst verstaatlicht werden: Das Kabinett hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf verabschiedet, der eine Enteignung der Altaktionäre ermöglicht. Bis zum 3. April soll das Gesetz den Bundestag durchlaufen haben und vom Bundesrat gebilligt sein.
Die Hypo Real Estate hat inzwischen 102 Milliarden Euro an Garantien erhalten - davon 87 Milliarden Euro vom Staat. Trotzdem benötigt das Institut weitere Staatshilfe. Der Kapitalbedarf könne "exorbitant" sein, sagte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) nach der Kabinettssitzung am Mittwoch (siehe unten).
Die HRE ist in Schwierigkeiten geraten, weil sie langfristige Kredite für Staatsprojekte kurzfristig refinanziert hat. Dieses riskante Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr, seitdem die kurzfristigen Zinsen infolge der Finanzkrise stark gestiegen sind. Die HRE macht permanent Verluste, die jetzt offenbar das Eigenkapital weitgehend aufgezehrt haben.
Der Bund strebt bei der HRE einen Anteil von mindestens 75 Prozent plus einer Aktie an, um die Kontrollmehrheit zu besitzen. Noch besser wäre allerdings eine Staatsbeteiligung von über 90 Prozent: Dies würde die Kreditkosten für die HRE stark senken, weil der Bund als der beste Schuldner gilt.
Bisher befindet sich die Bank überwiegend in Streubesitz; einziger Großaktionär ist der US-Investor Flowers, der im Juni 2008 rund 24 Prozent erworben hat. Für die Regierung sei eine Enteignung der Altaktionäre nur die "Ultima Ratio", versicherte Steinbrück.
Zunächst soll versucht werden, auf einer HRE-Hauptversammlung eine Kapitalerhöhung durchzusetzen. Die Zahl der Aktien würde so stark angehoben, bis der Staat Mehrheitsaktionär wäre. Für die Alteigentümer würde dies bedeuten, dass ihre Aktien stark an Wert verlieren.
Für eine solche Kapitalerhöhung sind im neuen Gesetz Vereinfachungen vorgesehen: So kann eine Hauptversammlung schon innerhalb eines Tages einberufen werden - und es wäre nur noch eine einfache Mehrheit nötig, wenn mindestens 50 Prozent der Kapitaleigner auf der Hauptversammlung vertreten sind. Bisher müssen Kapitalerhöhungen mit einer Mehrheit von 75 Prozent beschlossen werden. Zudem sieht das neue Gesetz Schadenersatzansprüche gegen Aktionäre vor, falls sie nötige Rettungsmaßnahmen des Staates vereiteln.
Bisher scheint Flowers an einer einvernehmlichen Lösung kein Interesse zu zeigen: "Gespräche laufen", sagte Steinbrück knapp.
Im "Finanzmarktstabilisierungsänderungsgesetz", wie das neue Werk offiziell heißt, kommt der Name HRE nicht vor - faktisch ist es jedoch ein befristetes Sondergesetz für diese Bank. Denn nur bis Ende Juni kann die Rechtsverordnung verabschiedet werden, die eine Verstaatlichung einleiten würde.
Im Fall der Enteignung würden die Altaktionäre zum durchschnittlichen Börsenkurs der letzten zwei Wochen entschädigt. Bisher dümpelte die Aktie bei 1,14 Euro - die HRE war damit nur etwa 250 Millionen wert. Das änderte sich am Mittwoch: Der HRE-Kurs stieg bis zum Nachmittag um 40 Prozent, nachdem das Kabinett die Möglichkeit der Enteignung beschlossen hatte. Bei diesem Kurs würde eine Verstaatlichung 330 Millionen kosten.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz gab sich dennoch empört: Man werde eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht prüfen, falls es zu einer Enteignung der HRE-Aktionäre komme.
Der Bund will die HRE "restrukturieren". Doch das Ende ist ungewiss, wie Steinbrück zugab: "Ich weiß nicht, wie die Bank in einem Jahr aussieht."
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