■ Enquetekommission fehlt es an nachhaltiger Entschlossenheit: Die Quadratur des Umweltzirkels
Ein weiterer intelligenter Bericht zum Thema Nachhaltigkeit ist erschienen. Mit ihm möchte die Enquetekommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Bundestages hohlen Schlagworten etwas entgegensetzen und endlich etwas tun. Doch dann kommt sie zu dem Schluß: „Nachhaltigkeit kann nicht als Programm verordnet werden. Sie ist ein Lernprozeß.“
Niemanden bevormunden zu wollen ist sicher eine ehrenwerte Haltung. Bei der Ignoranz, die manche Zeitgenossen beim Thema Umwelt unabsichtlich, einige aber mit Vorsatz haben, zeugt sie allerdings von Naivität. Es reicht längst nicht mehr, ständig aufs neue auszumalen, wie eine „nachhaltig zukunftsverträgliche“ Welt aussehen könnte, wir wollen den Weg dorthin wissen.
Mit ihrer Weigerung, Nachhaltigkeit als Programm zu formulieren, befindet sich die Enquetekommission auf der Höhe der Zeit. Im Wahljahr 1998 wird jede programmatische Äußerung, die einen steinigen Weg empfiehlt, mit wildesten Schmähungen quittiert. Die Grünen erleben dies in Serie. Benzinpreis, Tempolimit – ihnen ergeht es wie 1990 Oskar Lafontaine, der keine blühenden Landschaften versprach, sondern nur die nächsten Kilometer beschrieb.
Die Enquetekommission, die ein Thinktank für Umweltstrategien sein könnte, kommt über scharfsinnige Analysen, was schiefläuft, kaum hinaus. Einschneidende Konzepte wie Ökosteuer oder flächendeckender ökologischer Landbau – zigmal durchgerechnet und als machbar erwiesen – gehen im kleinsten gemeinsamen Nenner des parteiübergreifenden Ökokonsenses unter. Statt dessen hier ein Grenzwert, dort eine Richtlinie und jede Menge „Sollte“-Sätze. Klar, alles sollte eigentlich besser sein.
Daß der Weg zur Nachhaltigkeit auch nach diesem Bericht ein „gesellschaftlicher Suchprozeß“ bleibt, ist da ein angemessener Geistesblitz. Diskurse spielten in diesem Prozeß eine zentrale Rolle, heißt es im Bericht. Daß sachlich miteinander gestritten wird, kann eine dröge gewordene Demokratie natürlich nur beleben. Zu befürchten ist aber, daß diese Diskurse von den Politikmüden der Republik nur als weitere Episode im endlosen Politikgelaber wahrgenommen werden. Weil immer noch keiner versteht, was Nachhaltigkeit ist, wie sie funktioniert und auch – wieviel sie kosten soll. Mit Mut zu programmatischer Klarheit hätte diese Enquetekommission, die keine Wahl gewinnen muß, Politik und Bürgern einiges hinter die Ohren schreiben können. Niels Boeing
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