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Englische Atomanlage meldet StörfallErhöhte Radioaktivität in Sellafield

Die Anlage läuft weiter im Normalbetrib, die Mehrzahl der Mitarbeiter wurde aber aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Das Energieministerium teilt mit, die Lage sei ungefährlich.

Hier arbeiten Tausende: Atomstadt Sellafield. Bild: dpa

LONDON dpa | Wegen erhöhter Werte von Radioaktivität sind Mitarbeiter des Atomkraftwerks im englischen Sellafield am Freitag zum Zuhausebleiben aufgefordert worden. Das Werk laufe weiter im Normalbetrieb, allerdings nur mit einer Kernmannschaft, teilte der Betreiber mit. Die Radioaktivität liege über den natürlichen Werten, sei jedoch weit unter denen, bei denen Mitarbeiter reagieren müssten.

Tests hätten gezeigt, dass alle Anlagen korrekt und normal liefen, hieß es. Es bestehe keiner Gefahr für die Mitarbeiter oder die Öffentlichkeit; die Entscheidung sei „konservativ und vorsichtig“.

In einer Mitteilung des Energieministerium hieß es: „Wir stehen in ständigem Kontakt mit Sellafield, aber wir haben keinen Grund, zu glauben, dass die Lage ernster ist, als sie sagen.“ Auch von der Gewerkschaft Prospect, die rund 5000 Atomspezialisten in Sellafield vertritt, hieß es, die Werte seien innerhalb der akzeptablen Grenzen und stellten keine Gefahr für die Gesundheit von Menschen oder die ganze Anlage dar.

Laut Betreiber war ein Alarm in der riesigen Anlage im Nordwesten Englands, in der Tausende Menschen arbeiten, losgegangen. Experten seien vor Ort, um den Vorfall im Detail zu untersuchen.

Schwere Zwischenfälle in der Vergangenheit

Die Atomanlage Sellafield ist seit Jahrzehnten umstritten. Heute gibt es dort Aufarbeitungsanlagen für atomare Abfälle aus britischen und ausländischen Reaktoren sowie ein Brennelementewerk. Bei der Wiederaufarbeitung atomarer Brennstoffe wurden einst große Mengen radioaktive Stoffe in die Irische See geleitet.

Der schwerste Zwischenfall in der früher nach dem Nachbarort Windscale benannten Anlage ereignete sich im Oktober 1957. Damals brach in einem zum Bau von Bombenplutonium genutzten Reaktor ein Feuer aus. Beim Versuch, den Brand zu löschen, entwichen radioaktive Gase in die Atmosphäre und verseuchten ein Gebiet von mehreren hundert Quadratkilometern. Zeitweilig war hier die Milcherzeugung verboten. Der Reaktor wurde stillgelegt.

Einen weiteren Skandal gab es 2005, als bekanntwurde, dass nach einem Rohrbruch etwa 20 Tonnen eines hochaktiven Uran-Plutonium-Gemisches in Salpetersäure in eine Auffangwanne geflossen waren. Für Menschen und Umwelt habe keine Gefahr bestanden, betonte der Betreiber.

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7 Kommentare

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  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    5000 Atomspezialisten in Sellafield sehen keine Gefahr. Wenn das abhängig Beschäftigte sagen, kann man das getrost glauben.

  • S
    Strahlenbelastung

    Also was mir fehlt, sind qualitative und quantitative Daten (Welche Radionuklide? Welche Mengen? Wie stark war sie Strahlenbelastung erhöht?)

  • Was mich so misstrauisch macht ist doch die allseits bekannte Tatsache, dass auftretende Krankheitsfälle nicht völlig überzeugend auf ausgetretene Radioaktivität zurückgeführt werden können und die Betreiber sich dies genüsslich zunutze machen mit leichtfertigen Unbedenklichkeitserklärungen. Denn den expliziten Nachweis kann keiner führen - schon gar nicht nach einigen Jahren. Weitere Forschungen auf dem Gebiet wären unbedingt nötig.

     

    Schließlich sitzen wir auch hierzulande auf nicht unerheblichen Mengen radioaktivem Müll und wissen nicht, was uns von den Nachbarstaaten herübergeweht wird.

     

    Warum sind weder AKWs noch Aufarbeitungsanlagen wie Sellafield versicherbar?

    • G
      Gast
      @noevil:

      Warum sind weder AKWs noch Aufarbeitungsanlagen wie Sellafield versicherbar?

       

      - Es gibt Risiken, die so hoch sind, dass keine Versicherung bereit ist, dieses Risiko zu versichern, weil das Risiko in keinem Verhältnis zu dem angestrebten Gewinn der Versicherer steht. Das gilt beispielsweise schon für eine Versicherung von Bauvorhaben an Flüssen gegen die Hochwassergefahr. Und erst recht zweifellos für Atom- und Wiederaufarbeitungsanlagen.

  • "[...] die Entscheidung sei „konservativ und vorsichtig“."

     

    Und "konservativ" bedeutet hier, dass die Gewinne des Betreibers auf jeden Fall erhalten bleiben, "vorsichtig", dass man keine Panik auslösen möchte.

     

    Vor Jahren versuchte mir ein Bewohner des Nordostens Englands weiß zu machen, dass die deutlich erhöhte Krebsrate entlang der Küste lediglich damit zu tun hätte, dass dort so viele Menschen rauchen. Vielleicht hat der aber auch nur die staatliche Propaganda geglaubt, oder wie ein anderer Engländer angenommen, Sellafield sei an der Westküste des Landes.

    • G
      GastY
      @anteater:

      Es liegt an der Westküste. Ehrlich.

      • @GastY:

        Ah ja, doof von mir, ich weiß das eigentlich. Mir ist auch klar, dass die Irische See an der Westküste England liegt. Besagter Mensch behauptete es sei in "Gordie-Land" (Newcastle) -> Ostküste.