England in WM-Zweifel: Heimatpresse verprügelt Torwart Green
Die britische Presse spottet über die Panne des England-Torhüters Robert Green. Trainer Capello steht unter massivem Handlungsdruck.
RUSTENBURG dpa | Zutiefst erschrocken kauerte Robert Green auf dem Rasen und hob um Verzeihung flehend die Hände: England hat wieder einen Torwart-Tölpel. Greens peinliche Panne erheiterte die WM-Welt und stürzte das entsetzte Fußball-Mutterland schon jetzt in tiefe Zweifel an der Titel-Mission. "Es tut mir so leid, aber das ist das Leben", meinte das zur Lachnummer gewordene WM-Greenhorn verschämt, nachdem ihm Clint Dempseys harmloses Schüsschen zum ernüchternden 1:1 gegen die USA durch die Finger geflutscht war.
In der Heimatpresse bezog Green am Sonntag kräftig Prügel, Nationaltrainer Fabio Capello denkt bereits über einen Torwartwechsel nach. "Wir haben Zeit, mit ihm zu sprechen. Dann werde ich entscheiden", sagte der Coach. "Was für ein Elend", jammerte die "Mail on Sunday".
Sofort wurden auf der Insel die bitteren Erinnerungen an die schwarze Serie unglaublicher Torwart-Missgeschicke wach - von David Seaman über Paul "Mrs." Robinson bis hin zu David "Calamity" James. "Ich bedaure ihn", meinte US-Keeper Tim Howard voller Mitgefühl an die Adresse des Unglücksraben. "Er bewahrt die Tradition. Die englischen Torhüter sind zu allem fähig", spottete ARD-Experte Günter Netzer. "Ich bin stark genug, das durchzustehen", versprach Green tapfer.
Trainer Capello allerdings steht nicht nur wegen des Fehlgriffs Green, der erst kurz vor der Abfahrt von seinem Einsatz erfuhr, bereits vor dem zweiten Gruppenspiel gegen Algerien am Freitag massiv unter Handlungsdruck. Gleich mehrere seiner taktischen Kniffe gingen daneben, das frühe Führungstor von Kapitän Steven Gerrard (4. Minute) war schon fast der einzige Lichtblick beim Turnier-Einstieg des Mitfavoriten.
Vor allem Stürmerstar Wayne Rooney stapfte nach dem Fehlstart wortlos in die Nacht von Rustenburg, sichtbar angefressen nach einem höchst blassen Auftritt. "Das war ziemlich frustrierend", befand Mittelfeldspieler Frank Lampard, der ebenfalls weit unter seinen Möglichkeiten blieb. "Da ist noch reichlich Luft nach oben", bekannte auch Gerrard. Auch der verletzte Talisman David Beckham, der auf der Bank mitzitterte und die zahnlosen "Three Lions" immer wieder antrieb, konnte nicht das nötige Feuer entfachen.
Capello tobte fast 90 Minuten lang an der Seitenlinie, bemühte sich danach jedoch ebenso eifrig, dem matten Treiben seines Teams einen rosaroten Anstrich zu verpassen. "Alles ist positiv, nur das Ergebnis nicht", versicherte der 63-Jährige. Um größere Umbauten aber wird der Trainer kaum herumkommen, zumal sich Abwehrspieler Ledley King eine Leistenverletzung zuzog und das Experiment mit seinem Lieblingsschüler James Milner im Mittelfeld schief ging.
"Das nächste Spiel ist immens wichtig", urteilte daher Lampard. Selbst die zwei fest eingeplanten Siege gegen Algerien und Slowenien könnten aber nicht zum Gruppensieg reichen, wenn die forschen US-Boys ihre beiden Partien gegen die Außenseiter höher gewinnen.
Wohl auch deshalb ließen sich die Amerikaner nach dem Schlusspfiff zu einer kleinen Ehrenrunde hinreißen. "Wir haben gezeigt, dass wir mit allen mithalten können", sagte Stürmer Jozy Altidore, der bei einem Pfostentreffer (64.) den möglichen Sieg verpasst hatte. "Ich bin sogar ein wenig enttäuscht, weil wir noch mehr aus diesem Spiel herausholen konnten", gestand Ex-Bundesliga-Profi Landon Donovan.
Der zum "Man of the Match" gewählte Howard wies solche Gedanken gleich zurück. "Wir können stolz auf uns sein", betonte der Keeper des FC Everton. Ähnlich sah es Kapitän Carlos Bocanegra. "Natürlich sind wir mit einem 1:1 gegen einen der Turnierfavoriten zufrieden. Wir werden jetzt ganz sicher nicht übermütig", versprach der Abwehrchef.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!