Engangement für Chancengleichheit: Headhunter meets Hauptschüler

Drei Manager haben eine Gruppe Schüler aus Dortmund ein Jahr lang auf den Berufseinstieg vorbereitet. Dazugelernt haben nicht nur die Schüler.

Raus aus der Schule, und ab ins Jobcenter - Realität für viele Hauptschüler in Deutschland Bild: dpa

DORTMUND taz | Drei Geschäftsleute im Businesslook entsteigen ihrer Oberklassenlimousine und betreten den Schulhof der Emscherschule im Dortmunder Stadtteil Aplerbeck. So nahe sind Mandy Keune, Achim Wellenberg und Ralf Kreutzberg, Headhunter in einer Düsseldorfer Unternehmensberatung, einer Hauptschule wohl noch nie gekommen.

Ein Jahr lang haben die drei Personalberater, die sonst nur in Vorstandsetagen unterwegs sind, eine Gruppe von Hauptschul-Neuntklässlern gecoacht. Das Ziel: jungen Menschen bei ihrem beruflichen Einstieg zu helfen – der sich für Hauptschüler oft nicht einfach gestaltet.

Eine Talkrunde mit der nordrhein-westfälischen Schulministerin Sylvia Löhrmann gab für Kreutzberg die Initialzündung zu dem Pilotprojekt. Kreutzberg nahm an der Runde zum Thema Bildung teil und erfuhr, dass die Abschlussjahrgänge in deutschen Hauptschulen mitunter nur noch auf das Ausfüllen von Hartz-IV-Anträgen vorbereitet werden.

„Da habe ich gedacht, man muss doch etwas tun“, erinnert Kreutzberg sich. „Jeder Mensch besitzt Fähigkeiten, die entwickelt und eingesetzt werden können.“

Zwölf Mädchen und Jungen hatten sich schließlich für das Coaching zusammengefunden. An vier Tagen über das Schuljahr verteilt haben sie sich mit den Personalberatern getroffen. Stärken analysieren, Schwächen abklopfen – und auch ganz praktisches Training stand auf dem Programm, der richtige Händedruck etwa.

Enges Vertrauensverhältnis

Mit der Zeit sei ein enges Verhältnis zwischen Schülern und Trainern entstanden, das sich nicht nur auf die Treffen an der Schule beschränkte, berichtet Mandy Keune: „Anfangs waren die Kinder noch schüchtern und zurückhaltend, aber als sie Vertrauen gefasst hatten, haben sie auch komplett vertraut.“

Und die Schüler? „Ich habe mich gut gefühlt“, schaut Karim auf das vergangene Jahr zurück, „sie haben uns gezeigt, was man erreichen kann, auch wenn man Hauptschüler ist.“ Bevor er die Düsseldorfer Headhunter kennenlernte, wollte Karim Koch werden. Durch das Coaching habe er besser herausgefunden, welcher Job möglicherweise der richtige für ihn ist. „Ich habe gemerkt, dass es gut für mich ist, anderen Leuten zu helfen.“

„Wir waren zunächst überrascht, dass hoch bezahlte Personalmanager sich in die ,Niederungen‘ einer Hauptschule begeben wollen“, sagt Schulleiter Elmar Schebaum. Das ungewöhnliche Projekt sei gelungen: „Die Teilnehmer fühlten sich wertgeschätzt und auf Augenhöhe behandelt. Das hat ihr Selbstwertgefühl sichtbar gestärkt.“

Dazugelernt haben aber nicht nur die Schüler. Personaler Wellenberg zum Beispiel hat im Laufe des Projekts großen Respekt vor „seinen“ Schülern bekommen: „Gerade die hohe menschliche Qualität, die in der Bereitschaft sichtbar wurde, an sich zu arbeiten, war beeindruckend“, sagt Wellenberg. „Solche Menschen und weniger die Egozentriker, die sich über Äußerlichkeiten um jeden Preis verwirklichen möchten, sind für eine Gesellschaft insgesamt wichtig und nützlich.“

Im Oktober wollen sich die Headhunter und die Schulleitung der Emscherschule noch einmal für ein Fazit des Pilotprojekts zusammensetzen – und dann auch gleich über eine Neuauflage der Aktion nachdenken.

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