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Energiewirtschaft nach dem MoratoriumDeutschland importiert Atomstrom

Weil die Bundesregierung mit ihrem Moratorium Atomkraftwerke vom Netz genommen hat, muss Strom importiert werden. Die Preise an der Strombörse steigen.

Liefert Strom nach Deutschland: Der französische Atomstromanbieter EdF. Bild: dapd

BERLIN taz | Die Zahlen klingen, als werde der Strom demnächst auch für Privathaushalte um einiges teurer: Um zwölf Prozent stiegen die Preise, die Händler an der Leipziger Strombörse EEX zahlen müssen, in den letzten drei Wochen. Das zeigt eine Analyse des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Am 14. März sprangen der Preise um über zehn Euro pro Megawattstunde - da verkündete Kanzlerin Angela Merkel (CDU), sieben deutsche AKW drei Monate abzuschalten, eins ist ohnehin in Revision.

Vor allem aber eine zweite Zahl des BDEW hat es in sich: Deutschland muss seit dem Moratorium Strom importieren - in der ersten Märzhälfte ungefähr so viel wie drei AKW produzieren."Das Ziel ist es, dass wir jedenfalls nicht den alten Atomstrom durch Atomstrom aus dem Ausland ersetzen wollen", sagte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier.

Zunächst aber ist der Import von Strom ein normaler Vorgang, er wird europaweit über Landesgrenzen hinweg gehandelt. Allerdings kam der größte Teil des in Deutschland eingeführten Stroms nun aus Tschechien und Frankreich, die einen hohen Anteil an Kernenergie haben - ein gefundenes Fressen für die Bremser in der Atomausstiegsdiskussion.

Der Grund für den Import: Fünf der acht derzeit abgeschalteten AKW liegen im Süden Deutschlands. Gerade dort ist der Ausbau regenerativer Energien vernachlässigt worden. Stärker ins Gewicht fallen allerdings die Strukturen des Strommarktes: Der Preis richtete sich nach dem günstigsten Kraftwerk. An der Börse sind das längst abgeschriebene AKW. Händler kaufen also zunächst im Ausland den billigen Atomstrom. Zugleich stehen aber nach Berechnungen des Öko-Instituts in Deutschland 8.700 Megawatt an Kraftwerkskapazität still - meist Gas- und Kohlekraftwerke und genug, um sieben AKW zu ersetzen.

In den 1990er Jahren fast durchgehend Strom eingeführt

Übrigens hat Deutschland in den 1990er Jahren fast durchgehend Strom eingeführt. Erst im letzten Jahrzehnt änderte sich das, als der starke Ausbau der regenerativen Energien einen Nettoimport überflüssig machte.

Trotz des AKW-Moratoriums bewegen sich die Strompreise an der EEX in einem normalen Korridor: Im Sommer 2010 waren sie genauso hoch wie jetzt. "Die Steigerung macht historisch gesehen nicht besonders viel aus", sagt Charlotte Loreck, Energieexpertin am Öko-Institut. Außerdem haben die Großhandelspreise nur etwa über ein Drittel Anteil an den Stromkosten für Privatkunden, der Rest sind Steuern und andere Abgaben.

Legt man die Kostensteigerung an der Börse auf private Haushalte um, kommt man auf 21 Euro im Jahr, rechnet Loreck vor. So viel spare man, wenn man den Fernseher und andere Geräte ausschaltet statt sie auf Standby zu betreiben.

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16 Kommentare

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  • K
    kleinkaro

    an den EU-Gegner:

     

    Die einfache Rechnung ist falsch:

     

    Wenn man von 35% Überkapazität in Deutschland

    ausgeht und davon 30% abzieht, kommt man auf 94,5%,

    d.h. 5,5% zu wenig Kapazität:

     

    1,35 * 70 / 100 = 0,945

  • MH
    Mario H.

    Wenn erst einmal die ganzen (versteckten) Subventionen, die aktuell an die Atombetreiber gehen, in den Ausbau sauberer Energieerzeugung fließen, dann kann der Strom auch billiger werden.

    Warum z.B. bezahlt der Staat den ganzen Castor-Kram? Alle anderen müssen für die eigene Müllbeseitigung auch zahlen.

  • V
    vic

    Vielleicht sollten die Damen und Herren mal den Netzausbau für Erneuerbare in Erwägung ziehen?

  • WO
    Warmer Ofen

    Wir brauchen eine verstaatlichung der gesamten Energieversogung in Deutschland. Und zwar sofort, ohne Rücksicht auf die verbrecherischen Unternehmen und Lobbypolitiker. Die Verantwortlichen für den bisherigen Wahnsinn müssen wegen Gefährdung der Volksgesundheit vor Gericht abgeurteilt werden.

    Aber wegen der Korruptionsverflechtungen bei Politik und Justiz wird das wohl nichts werden, wenn der Bürger hier nicht massiv wird.

  • E
    EU-Gegner

    Einfache Rechnung:

     

    35 % Überkapazität in Deutschland.

    Bisher 30 % der Stromproduktion aus AKW´s!

     

    Alles abschalten und es bleiben 5 % Überkapazität aus herkömlichen Erzeugungsarten. Die können wir in den nächsten 5 Jahren komplett mit ungefährlichen Arten der Erzeugung ersetzen. Kein Import oder so was .

     

    Die Energiebetreiber lügen was das Zeug hält.

  • T
    tobelbaer

    "Na, dann steigt mal schön aus...."

     

    Deutschland, die Insel der Glückseligen. Wir haben ja noch Frankreich und Tschechien, wenns eng wird. Sind sich die Käufer des Ökostroms so sicher, dass nicht vielleicht doch Atomstrom aus Frankreich aus ihrer Steckdose kommt? Wo bleibt eine Bilanz des verkauften und des tatsächlich produzierten Ökostroms?

    Es gibt immer und überall die sogenannten Kriegsgewinnler, auch bei den ach so guten Ökostrom-Produzenten.

     

    Na, dann siegt mal schön, äh, wollte sagen: macht schöne Gewinne!

  • C
    Clarson

    Der Artikel müsste lauten: ATOMKONZERNE KAUFEN ATOMSTROM WEIL, SELBST ERZEUGTER STROM SIE TEURER KOMMT- also rechnen wir mal nach: 8 Atomkraaftwerke weniger - sind ca 9000 MW jetzt werden dafür pro Tag 50 Gigawattstunden importiert ist also ein Anteil von 23% in Bezug auf die 9000MW die 24 Stunden zur Verfügung standen...toll dann sind das ja schon mal min. 77% weniger Atomstrom für diese 8 Atomkraftwerke..

    PS.: wer keinen Atomstrom will: atomausstieg-selbermachen.de

  • D
    dejot

    Als ein Mensch mit einem erfolgreich absolvierten technischen Studium kann ich über die Deutschen leider nur noch den Kopf schütteln.

     

    Das Wichtigste an einem Stromnetz ist nicht die eingespeiste Leistung, sondern die Frequenzstabilität (bei uns 50Hertz) sowie die Kompensation der Blindleistung. Ich mache niemanden einen Vorwurf, dass das nicht verstanden wird; aber mittlerweile haben wir geschätzte 50Mio Energieexperten in Deutschland, die gerade mal eine Glühbirne ersetzen können. Leider können insbesondere PV-Anlagen keinen Blindleistung einspeisen, so dass dies immer von Großkraftwerken (insb. Atomkraftwerken und Kohlekraftwerken) durchgeführt werden muss. Dementsprechend geht Mittags immer die große Netzstabilisiererei los.Wann hört endlich dieses Rosa-Brille-Getue auf???

     

    Demnächst schalten wir wieder alte Kohle-Mühlen mit 25% Wirkungsgrad und mangelhafter Rauchgasreinigung ein. Toller Gewinn für die Umwelt.

  • J
    JH66

    Na da kennt die TAZ offenbar die Funktionsweise von Märkten nicht.

    Die Grenzkosten(nicht Vollkosten!) des teuersten Kraftwerkes bestimmen den Marktpreis, nicht das billigste Kraftwerk. Durch den Preisanstieg im Zuge des Moratoriums ist das Preisniveau für französische AKW-Betreiber in Deutschland interessanter geworden, so dass die weniger nach Spanien oder GB exportieren.

    An der Börse kann übrigens kein Händler explizit billigen Atomstrom kaufen. Sie wissen bei Börsengeschäften nicht, wer ihr Counterpart ist. Geschäftspartner ist immer die Börse selbst.

  • P
    Petra

    Ich finde gut, dass mittlerweile alle großen Parteien im Land den Atomausstieg vorantreiben wollen. Insbesondere finde ich gut, dass Merkel und die CDU diese Kehrtwende hingelegt haben. Dies hätte ich von der CDU nicht erwartet. Das ist auch ein Zeichen, dass man eine falsche Politik auch selbst korrigieren kann und Fehler eingesteht. Sehr löblich.

    Es muss meines erachtens aber weiter gehen: Einfuhrstopp von Atomstrom, Einbindung der Atomstopp Politik in die Europäischen Palamente und in die Außenpolitik der BRD. Ohne Europäische Konzeption ist ein Ausstieg Deutschlands aus dem Atomstrom nur Symbol Politik.

    Insbesondere bei der jetzigen Grenzbebauung von französischen und tschechischen Meilern. Hier hätte ich mir von Joschka und Co. in der rot grünen Regierung auch mal Engagement erwartet. Also nicht nur in Hamburg etc. auf die Straße gehen sondern mal in Europa aktiv werden. In der BRD ist der Atom Drops gelutscht.

    Toll das nun Grün in BaWü an der Macht ist. Da können sie ja dank Mappus -hihi- jetzt sofort die AKW's stillegen.

  • D
    Dukath

    Ich dachte am Anfang schon TAZ hätte einen Objektivitätsanfall bekommen. Aber das hat sich später ja wieder relativiert.

     

    In Deutschland ist immer einiges an Kraftwerkskapazität, z.B. wegen Wartungsarbeiten "stillgelegt".

     

    Viele von denen, die mit solchen Dingen gegen Atomkraft argumentieren, haben noch vor kurzem gegen neue Kohlekraftwerke protestiert. Das passt doch nicht zusammen.

     

    21€? Wers glaubt. Schon interessant wie man an vorgerechnete Zahlen glauben kann, wenn es einem in den Kram passt. An den Strompreis ist übrigens alles andere was Geld kostet, gekoppelt.

     

    Ich empfinde es unverantwortlich die fossilen Brennstoffe immer mehr und mehr wegen dieser unsäglichen Sturheit zu verfeuern. Unseren Nachkommen wird diese Arroganz teuer zu stehen kommen.

     

    Alles hat seine Vor-und Nachteile. So auch die Atomkraft. Und wer sich nur auf eines bezieht, dem ist die Wahrheit egal.

  • KS
    Klaus Schulz

    Mein Blutdruck steigt trotzdem. Der Titel ist schon tendenzioes. Muss das sein ?? Warum koennen Sie nicht titeln: "Strompreise an der Boerse auf normalem Preisniveau" oder "Gas und Kohlekraftwerke stehen still" und erklaeren dann. Nein... auch die TAZ muss wie alle anderen Gazetten schreiben "DEUTSCHLAND IMPORTIERT ATOMSTROM" . Es ist zum Kotzen.

  • W
    wolstein

    Es ist gut zu wissen, dass die deutsche Hysterie nicht

    ansteckend ist und in den europäischen Nachbarländern

    auch weiterhin auf Kernkraft gesetzt wird. Ein europäischer Ausstieg ist in den nächsten Jahrzehnten

    nicht zu befürchten. Und das ist auch gut für uns.

  • S
    Schulz

    Dann ist ja alles in Ordnung...

     

    es kann wieder von Investoren (oder jeder Person)

    ((bei genug Startkapital-Eigenreserve; Grundstuecken, Immobilien...))

    in Umweltenergie investiert werden,

     

    der Staatsvertrag winkt.

     

    Ist doch perspektivisch ganz einfach...

    Wirtschaftspolitik

  • L
    Leser

    Am Anfang des Artikels stieg mein Blutdruck, ist die TAZ jetzt auch schon gekauft, dachte ich.

    Dann wurde der Sachverhalt jedoch gut und richtig erklärt, bleibt zu hoffen, dass dieser, sehr gute Artikel von vielen gelesen wird.

  • M
    Marcel

    Als Merkel bekannt gegeben hatte das man einige AKWs vorerst abschalten will sagte sogar meine Oma "Dann werden die die Strompreise erhöhen mit dem Argument das man nun teuren Strom im Ausland kaufen muss, obwohl Strom da viel billiger ist als bei uns"

     

    Man könnte auch sagen der Atomlobby versucht die Bürger nach wie vor wie Kinder zu bahandeln, nach dem Motto - machst ihr nicht das was wir wollen und seid ihr nicht brav gibt's was auf die Finger

     

    Hoffe das der Deutsche Michel nicht wie sonst fast immer den Schwanz einzieht und kuscht