Energiepreise: 85 Prozent Sonderfälle

Die EWE zahlt ihren Eigentümer-Kommunen zwar Dividende - zugleich enthält sie ihnen einen großen Teil der Konzessionsabgabe vor. Außerhalb des Heimatmarktes sind die Strompreise zum Teil niedriger.

Auch ein Projekt unter EWE-Beteiligung: Vorstandschef Werner Brinker besucht den Offshore-Testwindpark Alpha Venture. Bild: dpa

Der Energieversorger EWE steht in der Kritik - nicht nur weil er sich mit seinen KundInnen über Preiserhöhungen streitet, sondern auch wegen seiner Politik gegenüber den Eigentümern. Das sind zu 74 Prozent Städte und Landkreise der Region Weser-Ems. Vertreter von Bürgerinitiativen und Abgeordnete aus Kommunalparlamenten fragen sich, ob der Versorger den Interessen der Kommunen und der dort lebenden Menschen gerecht wird.

Ein ins Auge stechendes Beispiel dafür sei die Art, wie die EWE zwar Dividenden an ihre Eigentümer-Kommunen ausschütte, ihnen das Geld zugleich aber aus der Tasche ziehe, sagt Janto Just, Abgeordneter der Gruppe "Bürger für Bürger" im Friesländer Kreistag. Möglich wird das dadurch, dass die EWE beim Gas 85 Prozent ihrer Kunden als Sondervertragskunden führen. Für diese können die Kommunen nur sehr viel geringere Konzessionsabgaben einziehen als für Tarifkunden. Die Konzessionsabgaben werden für die Leitungen fällig, die auf dem Gebiet der Kommunen verlaufen, aber EWE gehören.

Bei einem von EWE angegebenen jährlichen Durchschnittsverbrauch von 20.000 Kilowattstunden und 620.000 Sondervertragskunden ergäbe sich für die Kommunen eine Einbuße von fast 24 Millionen Euro. Mehr als eine Drittel der jeweils gut 60 Millionen Euro, die EWE an die Kommunen in den vergangenen beiden Jahren ausschütten, ist dadurch von vornherein weg. Die EWE habe ihre Normalkundschaft in Sonderkundschaft verwandelt, "obwohl in Wirklichkeit natürlich niemand ein echter Sonderkunde mit einem individuellen Tarif ist", ärgert sich Just.

eigentlich Energieversorgung Weser-Ems ist in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus einem Zusammenschluss lokaler und regionaler Versorger entstanden.

Eigentümer: Seit 2008 gehören 26 Prozent dem Energiekonzern EnBW, der gehört vier Städten und 17 Landkreisen aus der Region.

Beschäftigte: 6.500 im gesamten Konzern, der seine Geschäfte bis nach Polen ausgedehnt hat.

Finanzen: 2009 hat die EWE 5,8 Milliarden Euro umgesetzt und dabei einen Gewinn von 200 Millionen Euro erwirtschaftet.

Angebot: EWE versorgt 1,4 Millionen Menschen mit Strom und 1,5 Millionen mit Erdgas. Zudem bietet sie Informations- und Kommunikationsdienstleistungen an.

Besonders unfair findet er dieses System gegenüber den Kommunen, auf deren Gebiet zwar EWE-Leitungen verlaufen, die aber nicht Miteigentümer der EWE sind. Ihnen werde ein Teil der Konzessionsabgabe vorenthalten, ohne dass sie von den Dividenden profitierten. "Man könnte sagen, über Konzessionsabgabe und Dividende findet eine Umverteilung von den besitzlosen zu den Eigentümer-Kommunen statt", so Just.

EWE erklärt den hohen Anteil an Sonderkunden mit der historischen Entwicklung. "Das haben die Kommunen über Jahrzehnte hinweg mitgetragen, weil es uns die Möglichkeit gab, flächendeckend die Gasversorgung aufzubauen", sagt ein Firmensprecher. Nur so habe das Gas mit dem Erdöl konkurrieren können.

Sönke Klug, Sprecher des Landkreises und EWE-Miteigentümers Friesland, verweist darauf, dass die Gaskunden von den geringen Konzessionsabgaben profitierten. Gäbe es weniger Sonderverträge, müssten die Kunden die Mehrkosten tragen.

Just verdächtigt die EWE, die Menschen im Weser-Ems Gebiet noch an anderer Stelle zu schröpfen: Außerhalb ihres "Heimatmarktes" biete die EWE ihren Strom oft günstiger an. Für den Kreistagsabgeordneten gehört das zu einer "verkehrten Welt", schließlich hielten die Kommunen ja Anteile, um ihre Gebiet günstig zu versorgen.

Der EWE-Sprecher erklärt die Unterschiede mit den Netznutzungsentgelten. Diese lägen in Ballungsräumen bisweilen niedriger. In Einzelfällen habe das Unternehmen "schon auch mal eine Anwerbungsaktion" gemacht. "Wo die EWE Märkte erobern will, profitieren die Kunden von günstigen Preisen", sagt, Wolfgang Kellner, Bürgermeister der Miteigentümerin Leer.

Streit gibt es auch darum, wie der Erlös aus dem Verkauf der Unternehmensanteile 2008 an den Konzern EnBW verwendet werden soll. Von zwei Milliarden Euro Erlös hätten die Kommunen nur 650 Millionen behalten und stattdessen eine Milliarde als Eigenkapital in das Unternehmen gesteckt, kritisiert Just. Zur Entlastung der kommunalen Haushalte hätten nur die Zinsen dieses Betrags zur Verfügung gestanden. Dieter Baumann von der Gruppe CDU / BFR verlangte im Frühjahr, es müssten 500 Millionen Euro an die Kommunen ausgeschüttet werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.