Energiekonzern: Neues Futter für Kohlebagger
Vattenfall beantragt Erweiterung des Tagebaus Welzow. Widerstand formiert sich.
DRESDEN taz Die Touristenkarte für das gerade entstehende Lausitzer Seenland verzeichnet noch den Ort Haidemühl, obschon er seit 2002 nur noch ein Geisterdorf ist. Wenn die Pläne des Energiekonzerns Vattenfall Wirklichkeit werden sollten, muss die Karte allerdings sowieso komplett überarbeitet werden. Denn das Unternehmen hat nun die Südwesterweiterung des schon zu DDR-Zeiten betriebenen Tagebaus Welzow beantragt. Etwa 1.200 Menschen wären von einer Umsiedlung betroffen, darunter auch die Einwohner mehrere Ortsteile von Welzow und dem Dorf Proschim.
Die in der Region seit längerem bekannten Pläne reihen sich ein in den Trend zum extensiven Ausbau der Braunkohleverstromung. So wird in Kürze der noch in der DDR stillgelegte Tagebau Reichwalde wieder angefahren. Auch die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft Mibrag provozierte in Sachsen und Sachsen-Anhalt mit neuen Aufschlussplänen bereits Widerstand.
Vattenfall hatte sich im Braunkohleplan der Brandenburger Landesregierung bereits 2004 die Option gesichert, den voraussichtlich um 2025 ausgekohlten Tagebau Welzow I auf das neue Abbaugebiet ausdehnen zu können. Dort sollen 210 Millionen Tonnen Braunkohle lagern, die das Kraftwerk Schwarze Pumpe weiter versorgen könnten.
Das in Cottbus ansässige zuständige Landesplanungsreferat will nun bis Oktober prüfen, ob die eingereichten Unterlagen für die Eröffnung eines Planverfahrens ausreichen. Das eigentliche bergrechtliche Genehmigungsverfahren kann sich bei Anhörung der Betroffenen und der Einholung von Gutachten sechs bis sieben Jahre hinziehen. Denn erstmals muss diese Prüfung nach bundesdeutschem und europäischem Recht mit Umweltverträglichkeitsprüfung und "strategischer Umweltprüfung" erfolgen. Den noch existierenden Tagebauen aus DDR-Zeiten blieb eine solche Prüfung laut Einigungsvertrag erlassen. "Wir hoffen, bis 2015 die Genehmigung für Welzow II zu bekommen", sagte Vattenfall-Sprecher Markus Füller. Allein für die Umsiedlung von Proschim werden weitere 10 Jahre veranschlagt.
Bei den 367 Einwohnern des Dorfes aber regt sich bereits jetzt Widerstand. "Wir brauchen über Klimaschutz gar nicht mehr zu reden, wenn wir so weitermachen", zitiert die Märkische Allgemeine Bürgermeister Erhard Lehmann. Das Dorf war durch die deutsche Einheit zunächst dem drohenden Abriss entgangen. Besonders heftig reagierten die Brandenburger Grünen. "Mit dem Aufschluss neuer Tagebaue würden die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Steinzeittechnologie Braunkohleverstromung fortzuschreiben", kritisierte die Landesvorsitzende Katrin Vohland. Die Kohle sei für 60 Prozent des Kohlendioxidausstoßes im Land verantwortlich und blockiere das Erreichen der Klimaziele. Im Oktober wollen die Grünen gemeinsam mit weiteren Umweltverbänden, Kirchen und Einwohnern eine Volksinitiative gegen weitere Tagebauaufschlüsse in Brandenburg starten.
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