Energie: Brasilien baut Atomkraftwerk fertig

Weil der Energiehunger der brasilianischen Wirtschaft wächst, wird das dritte Atomkraftwerk des Landes nun zu Ende gebaut.

Der Energiebedarf in der Megacity Sao Paulo und anderswo in Brasilien steigt stetig. Bild: dpa

BUENOS AIRES taz Marina Silva kam zu spät. Das Flugzeug der brasilianischen Umweltministerin war in dieser Woche mit drei Stunden Verspätung gelandet. Brasilien hat die Fertigstellung eines dritten Atomkraftwerkes beschlossen. Nach einer Entscheidung des Nationalen Energierats soll das Atomkraftwerk Angra 3 zu Ende gebaut werden.

Als Einziger hob zwar Silvas Stellvertreter die Hand gegen den Bau von Angra 3. Doch auch die Anwesenheit der Ministerin hätte kaum genützt. Dem Energierat gehören neun Ministerien an. Acht hatten für den Weiterbau gestimmt. "Für die Atomenergie besteht keine Notwendigkeit", verteidigte Marina Silva nachträglich die Gegenstimme. "Wir haben genügend erneuerbare Energiequellen. Mit Biomasse, Wasserkraft und Solarenergie können wir die Energieprobleme lösen", so die Ministerin.

Der Anteil erneuerbarer Energien an der gesamten Energieproduktion liegt in Brasilien über 40 Prozent - und damit deutlich über dem weltweiten Durchschnitt von gut 15 Prozent. Drei Viertel der gesamten brasilianischen Elektrizität wird bereits heute aus Wasserkraft gewonnen. Mit Erdöl kann sich das Land selbst versorgen. Zudem fahren brasilianische Autos seit Jahrzehnten mit Pflanzentreibstoff. Der Anteil der Energieerzeugung durch Atomkraft liegt unter 2 Prozent.

Dennoch ist die Umweltministerin mit ihrer Meinung in der Minderheit. Nach dem Willen der brasilianischen Regierung soll Angra 3 im Jahr 2013 mit einer Leistung von 1.350 Megawatt in Betrieb gehen. Die Kosten werden auf umgerechnet 2,9 Milliarden Euro geschätzt. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva muss der Entscheidung zustimmen. Sein Ja gilt als sicher. Für Lula ist "die Nuklearenergie ist eine saubere Energie, die kein CO2 ausstößt".

Brasiliens Wirtschaft ist im Aufschwung - und hat einen entsprechenden Energiehunger. Ein Trend, der auch im Nachbarland Argentinien zu beobachten ist. Hier wird der Industrie zeitweise Strom und Gas abgestellt. "Wenn die Wirtschaft jährlich 5 Prozent wachsen soll; müssen wir den Investoren versichern können, dass in Brasilien ab 2012 kein Energiemangel mehr herrschen wird. Bis 2012 ist das garantiert, aber danach müssen wir müssen mehr produzieren", so Lula.

Nach dem Willen des Präsidenten der staatlichen brasilianischen Atomfirma Electronuclear, Otho Luiz Pinheiro, sollen gar 8 AKWs bis 2030 gebaut werden. Die Partnerfirma von Electronuclear beim Weiterbau ist die Atomfirma Areva, ein Gemeinschaftsunternehmen der französischen Framatome und Siemens. Siemens ist über die KWU-Nachfolgefirma Siemens Nuclear Power mit 34 Prozent an Areva beteiligt. Die Siemens-Tochter Kraftwerk Union (KWU) hatte bereits Brasiliens zweites AKW gebaut. Angra 2 war im Jahr 2000 nach 25 Jahren Bauzeit mit einer Leistung von 1.275 Megawatt ans Netz gegangen.

Mit dem Bau von Angra 3 war 1984 begonnen worden. Zwei Jahre später wurde er eingestellt. Seither lagern die Bauteile tropengeschützt verpackt und verursachen jährliche Kosten von knapp 15 Millionen Euro. Das Projekt ist Teil des 1975 unterzeichneten Atomabkommens zwischen der damaligen Bundesregierung und der damaligen Militärdiktatur in Brasilien. Erst 2004 war es für weitere fünf Jahre verlängert worden.

Deutsche Umweltorganisationen hatten die Bundesregierung bereits im März zur Förderung alternativer Energien in Brasilien aufgerufen. Bundespräsident Horst Köhler war Anfang März nach Brasilien gereist, zuvor wurde in einem offenen Brief gefordert, dass das Atomabkommen mit dem südamerikanischen Land wie vereinbart durch eine Kooperation im Bereich der erneuerbaren Energien ersetzt werde. Darauf hatten Deutschland und Brasilien sich bereits 2004 geeinigt. Die Bundesregierung kann sich aber leicht aus der Affäre ziehen. Die Atomfirma Areva gilt trotz der Beteiligung von Siemens als französisches Unternehmen.

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