Endspiele im US-College-Football: Es geht nicht nur um die Besten
Ob die Endspiele im College Football tatsächlich die beste Mannschaft küren, ist fraglich. Spannender sind dieses Jahr eh Trainer und Simulanten.
Alle Jahre wieder kommen der Weihnachtsmann und das neue Jahr. Und weil die USA eine Überflussgesellschaft sind, kommen da auch die Endspiele im College Football. Ja, kein einziges Endspiel, auch nicht bloß mehrere, sondern sehr viele: 34 sogenannte Bowls, um genau zu sein, die seit dem 19. Dezember ausgespielt werden. Denn weil sich die großen Universitäten und der College-Sportverband nicht auf ein Playoff-System einigen können, werden alte Traditionen gepflegt, kommerzielle Interessen berücksichtigt und ansonsten weiter fröhlich diskutiert, wie man endlich mal einen unumstrittenen Champion ermitteln könnte. Und das in einer Sportart, in der zwar offiziell Amateure spielen, die aber Millionen vor den Bildschirm lockt, womit die ehrwürdigen Lehranstalten gutes Geld verdienen.
Seit einigen Jahren wird nun versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Allerdings mit Hilfe eines völlig undurchschaubaren Ranking-Systems, das schon das Misstrauen des Kongresses erregte. Zwar weiß keiner, wie es wirklich funktioniert, aber am Ende der Saison sollen in der allerletzten Bowl die beiden besten Mannschaften des Landes gegeneinander antreten. Im Idealfall sollten diese beiden Teams ungeschlagen und zweifelsfrei die besten sein. Im echten Leben aber gibt es dann vor den Bowl-Spielen gar kein ungeschlagenes Team oder, wie in diesem Jahr, gleich fünf. Die Folge: Auch wenn erst morgen in der Rose Bowl im kalifornischen Pasadena im Spiel zwischen den Texas Longhorns und der Alabama Crimson Tide ganz offiziell der Meister gekürt werden wird, ist jetzt schon klar, dass Boise State sich seit Montag, seit dem 17:10-Erfolg gegen die bis dahin unbesiegte Texas Christian University, sich auch für die beste Mannschaft halten darf.
Überm Weihnachtsbraten wurde in diesem Jahr allerdings vergleichsweise wenig über die seltsame Meisterfindung gestritten. Hatte der College Football doch sogar noch spannendere Geschichten zu bieten. Einmal verabschiedete sich mit Bobby Bowden einer der dienstältesten und erfolgreichsten Trainer in der Geschichte des College Football: Der Coach von Florida State ging nach 33 Spielzeiten in Tallahassee, nach zwei nationalen Meisterschaften und 316 Siegen im Alter von 80 Jahren in Rente. Allerdings erst, nachdem seine Mannschaft zum wiederholten Male eine eher durchwachsene Saison gespielt hatte und die um ihre Einkünfte fürchtende Universitätsleitung ihm die Pistole auf die Brust gesetzt hatte. Die Fans feierten den Ruheständler trotzdem nach dem abschließenden Sieg in der Gator Bowl.
Richtig rund ging es allerdings in Lubbock, wo die Texas Tech Uni beheimatet ist. Dort wurde Football-Trainer Mike Leach kurz vor dem Bowl-Auftritt seiner Mannschaft entlassen. Der Grund: Er habe einen seiner Spieler nach einer Gehirnerschütterung als Simulanten identifiziert und zur Strafe stundenlang in einem Verschlag stehen lassen. Blöderweise für Leach ist der Vater des Spielers ein erfolgreicher Ex-Profi und aktueller TV-Kommentator, der geschickt seine Stellung nutzte. Der Trainer konterte, der Spieler sei ein fauler Vertreter seiner Zunft gewesen und habe eine Sonderbehandlung gefordert. Der Verschlag sei eine geräumige Halle gewesen, in der der Gehirnerschütterte vor der texanischen Sonne geschützt gewesen sei. Zudem habe die Familie des Spielers immer wieder versucht, ihn unter Druck zu setzen, um mehr Einsatzzeiten herauszuschlagen.
Erstaunlich ist, wie schnell die Universität Leach feuerte, bevor der Sachverhalt überhaupt abschließend geklärt wurde. Tatsächlich nutzte Texas Tech den Skandal wohl dazu, sich des zwar erfolgreichen, aber unbequemen und wenig diplomatischen Coachs zu entledigen - und vor allem dazu, dessen millionenschweren Arbeitsvertrag zu kündigen. Denn so kompliziert es auch sein mag, wenn Studenten ein bisschen Football spielen, auf eins kann man sich verlassen: Am Ende geht es doch auch hier ums Geld.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“