Ende von Schwarz-Grün in Hamburg: CDU in der Schockstarre
Schwarz-Grün regierte unter Christoph Ahlhaus zwar formal noch zusammen, doch eigentlich machte jeder, was er wollte. Neuwahlen könnten bereits im Februar stattfinden.
HAMBURG taz | Hamburgs Grüne haben die Notbremse gezogen. In den späten Abendstunden des Samstags fällte die Bürgerschaftsfraktion der GAL den einstimmigen Beschluss, die einzige schwarz-grüne Koalition in einem Bundesland zu beenden. Auch der Landesvorstand der Partei und die drei grünen SenatorInnen schlossen sich dem Votum ohne Gegenstimme an - die bundesgrüne Parteispitze wurde nicht in den Entscheidungsprozess einbezogen, sondern nur im Nachhinein informiert.
"Der Neustart nach dem Rücktritt von Ole von Beust ist nicht gelungen", nannte GAL-Fraktionschef Jens Kerstan den entscheidenden Grund für den Bruch der Koalition. "Sein Abtritt war eine tiefe Zäsur für Schwarz-Grün". "Mangelnde Verlässlichkeit" und "fehlende oder nicht eingehaltene Absprachen" waren die von den GAL-Funktionären am Sonntag am häufigsten verwenden Versatzstücke zu ihrem Koalitionsausstieg.
"Es gibt nicht mehr genügend Gemeinsamkeiten und keinen gemeinsamen Geist mehr", glaubt etwa die GAL-Landesvorsitzende Katharina Fegebank. "Keine genügende Stabilität für eine erfolgreiche Gestaltung" sieht die grüne Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk, während ihre Senatskollegin Christa Goetsch betont, "dass die Abstimmung in der Koalition zuletzt von Missmanagement geprägt und nicht mehr belastbar" war.
Nach dem Rücktritt Ole von Beusts im August hatten Schwarz und Grün unter Neubürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) zwar formal noch zusammen regiert, doch in der Praxis machte jeder der beiden Koalitionäre längst, was er wollte. Gemeinsame Haushaltssparbeschlüsse wurden ohne Absprache mit der GAL von Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) oder Bürgermeister Ahlhaus wieder zurückgenommen oder erst gar nicht in die Bürgerschaft eingebracht. Gemeinsame Beschlüsse zum Thema Integration wurden von der CDU wieder infrage gestellt, und bei der Ablösung von HSH-Nordbank-Chef Jens Nonnenmacher agierten beide Partner konsequent gegeneinander.
Anlass für die Aufkündigung der Koalition war der überraschende Rücktritt von Frigge, der fünfte Abgang aus dem Senat in diesem Jahr, bei dem sich die GAL ebenfalls nicht rechtzeitig informiert fühlte. "Wir hätten einen neuen Senator wählen und den Senat damit bestätigen müssen - das konnten und wollten wir nicht", so Kerstan.
Die Hamburger CDU-Spitze fiel nach Bekanntwerden des Koalitionsendes erst einmal in Schockstarre, verbarrikadierte sich für Stunden in der Parteizentrale am Leinpfad, ehe Bürgermeister Ahlhaus und CDU-Fraktionschef Frank Schira Worte fanden. Von den Grünen habe man bislang "keine Kritik an mangelnder Verlässlichkeit und keine Signale, dass man auf dem Rückzug sei", vernommen, zeigte sich Ahlhaus "sehr überrascht und enttäuscht". Dies sei eine "Flucht aus der Verantwortung", die einem "Machtkalkül" der GAL geschuldet sei.
Bereits am Montag will Ahlhaus die drei GAL-SenatorInnen und StaatsrätInnen entlassen, in den kommenden Wochen dann Projekte mit grüner Handschrift, wie die Schulpolitik und die Einführung und geplante Trassenführung einer Stadtbahn "auf den Prüfstand stellen".
"Ab jetzt ist Wahlkampf", kündigte Schira an, um gleich darauf das "rot-rot-grüne Gespenst" an die Wand zu malen. Die GAL habe sich entschieden, "keine Anpack-dafür-Partei, sondern wie im Bund eine Dagegen-Partei" sein zu wollen. Ihr fehle offensichtlich "die Kraft, bei der Konsolidierung des Hamburger Haushalts auch mal unpopuläre Dinge" durchzusetzen.
Die GAL will - einen entsprechenden Beschluss ihrer Parteibasis vorausgesetzt - am 15. Dezember einen Neuwahlantrag ins Parlament einbringen, dem die einfache Mehrheit gewiss ist. Neuwahlen müssten dann laut Hamburger Verfassung noch im Februar 2011 stattfinden. Letzte Umfragen sehen die SPD knapp vor der CDU, beiden Parteien würde zur Regierungsmehrheit ein Bündnis mit der GAL reichen. Die hatte schon Anfang Oktober über Parteichefin Katharina Fegebank öffentlich verkündet, ohne Koalitionsaussage in die nächste Bürgerschaftswahl zu ziehen.
Das Spitzenpersonal für den bevorstehenden Wahlkampf steht weitgehend fest. Herausforderer von Bürgermeister Christoph Ahlhaus - der am Sonntag vom CDU-Landesvorstand zum Spitzenkandidaten gekürt wurde - wird auf Seiten der SPD der Hamburger Landeschef und Exbundesarbeitsminister Olaf Scholz sein, der sich am Sonntag mit den Worten "ich will Hamburger Bürgermeister werden" selbst nominierte.
Die Grünen werden als neue Spitzenkandidatin vermutlich Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk präsentieren - Schulsenatorin Christa Goetsch hängt nach der verlorenen Volksabstimmung über die Hamburger Schulreform allzu stark ein Verliererimage an.
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