piwik no script img

Ende eines legendären Studi-JobsDer Weihnachtsmann kommt – nicht!

Jahrzehntelang gehörten die studentischen Weihnachtsmänner und -engel zu Berlin. Das ist vorbei – es fehlen die Studierenden.

Letztes Jahr gab es sie noch: Weihnachtsmänner und -engel auf der Vollversammlung 2017 Foto: dpa

Die Kerzen am Weihnachtsbaum brennen, die Familie macht es sich im Wohnzimmer gemütlich. Der zuvor beim gemeinsamen Kartoffelsalatessen gerade beigelegte Familienstreit droht wieder aufzuflammen, da klopft es an der Tür. Ein rot kostümierter Mittzwanziger mit Plastikbart betritt den Raum, die Augen der Kinder leuchten. Die Situation ist gerettet.

Für viele Familien eine typische Situation an Heiligabend, die in diesem Jahr so nicht mehr stattfinden könnte. Denn das Studierendenwerk hat in diesem Jahr die Vermittlung von Weihnachtsmännern und -engeln klammheimlich eingestellt. Der Grund: Trotz hoher Nachfrage finden sich nicht genug Studierende, so Jana Judisch, Sprecherin des Studierendenwerks. „Die Nachfrage ist seit Jahren höher, als wir bedienen können.“ Und da die Kosten für die logistische Planung und die Vorbereitung der Weihnachtsengel in etwa gleich blieben, lohne sich die Vermittlung nicht mehr.

Eltern, die den Glauben ihres Nachwuchses an den bärtigen Geschenkedistributor noch ein paar Jährchen länger aufrechterhalten wollen, konnten sich bisher darauf verlassen, unter den mittellosen Studenten und Studentinnen jemand zu finden, der ihr Weihnachtsfest für ein paar Minuten bereichert. Interessierte müssen jetzt auf private Anbieter umsteigen; ob die eine flächendeckende Versorgung mit Weihnachtsmännern und -frauen gewährleisten können, ist unklar.

Eigentlich ein lukrativer Nebenjob

Über die Gründe des weihnachtlichen Fachkräftemangels lässt sich nur spekulieren. An mangelnder Lukrativität wird es nicht liegen, denn für einen gesamten Abend auf Geschenktournee, inklusive Vorbereitungs- und Planungstreffen, gab es immerhin um die 500 Euro. Liegt es an den Bologna-Reformen? Sind die Studierenden von heute durch das Bachelor- und Mastersystem derart gestresst, dass sie auch auch an Heiligabend Hausarbeiten schrei­ben müssen?

So oder so müssen sich Eltern nach Alternativen umgucken: also ungeliebte Verwandte akquirieren, die eigenen Schauspielkünste mitsamt kreativer Ausreden zur Geltung kommen lassen oder die Zeit nutzen, um den Nachwuchs auf das harte Leben in der Marktwirtschaft vorzubereiten. Statt Weihnachtslieder gibt es dann einen Vortrag über das Prinzip von Angebot und Nachfrage und die makroökonomischen Ursachen des Weihnachtsmännermangels.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!