Ende einer Versicherungsmarke: Adieu, AachenMünchener!
Am Montag wird der altehrwüdige Versicherungsname liquidiert. Die Stadt Aachen hat einen Werbefaktor weniger.
Die AachenMünchener war wegen ihres Namens immer auch ein Werbefaktor für die Stadt Aachen, ein Stück Stadtgeschichte sowieso und sorgte für eine Spur Heimatgefühl. Die AM war jahrelang Hauptsponsor des einstigen Fußball- Bundesligisten Alemannia, zeitweilig war sogar eine Umbennnung des Tivoli-Stadions im Gespräch. Die Stadt spendierte als Gegengeschenk Aachen-Münchener-Platz und -Allee. Das sind jetzt Erinnerungsstücke. Eine Assicurazioni-Generali-Allee ist bislang zum Glück nicht vorgesehen.
Alles was schwarz-gelb in AM-Farben gestaltet war (passend zur Stadt und dem Fußballklub), erscheint nun in Generali-Rosso: rote Schilder, Fahnen, Teppiche, Inneneinrichtung. Alles? Nein, das schwarz-gelbe Direktionsgebäude selbst, 2010 zentral in Aachens City neugebaut, muss zum Leidwesen von Generalis Corporate-Designern schwarz-gelb bleiben. Denn das steht, bis dahin unbeachtet, im Kleingedruckten der Architekten-Verträge. Ästhetik und Baukunst gehen vor Marketing-Strategien im Haifisch-Kapitalismus.
Versicherungen waren zu Gründungszeiten lokale Firmen wie Nürnberger, Gothaer oder die HUK-Coburg. Typisch sind auch regionale Kombinationen wie die Leipziger-Hallesche oder die Aachen-Potsdamer. Die Hamburg-Mannheimer ist besonders bekannt, weil sie ab 1972 ihren Werbeschauspieler Herrn Kaiser auf die Bildschirme schickte. Der Ruf „Hallo Herr Kaiser“ verschallte erst, als 2009 die Ergo das Unternehmen kaufte. Die gewerkschaftsnahe Volksfürsorge brachte es sogar zu gereimter Berühmtheit: „Keine Sorge – Volksfürsorge“. Auch sie hat der Branchenriese Generali vom Markt geschluckt.
Mario Adorf als Werbeträger
Die AachenMünchener hatte seit 2003 eine Werbespotserie: Mit dem großen Schauspieler Mario Adorf, der mal als Mafiagangster oder als Westernschurke auftrat. Der Spot spielte jeweils bei einem Filmdreh. Adorf bekam Anweisungen, dieses und jenes Waghalsige zu tun, und er antwortete immer: „Mach' ich“. Nur in der Schlussszene nicht, da sollte Adorf mit einem Geldschein die dicke Ganovenzigarre anzünden. „Nein“, widersetzte sich da der Mime, „das mache ich nicht.“ Denn: „Mit Geld spielt man nicht.“ Das war über lange Jahre der Slogan der Versicherung.
Nein, mit Geld spielt man nicht, mit Geld wird halt ganz gezielt gezockt, gekauft, übernommen und abgestoßen. Gerade im Assekuranzgewerbe: Mit Versicherungen spielen viele gern.
Eines tat die AM noch für ihre Stadt. Im Sommer wurden auf Initiative des Vorstandsvorsitzenden Christoph Schmallenbach Radentscheid-Unterschriftenlisten für die rund 1.700 Mitarbeiter wochenlang in der Cafeteria der Firma ausgelegt. Diese unerwartete Unterstützung durch den zweitgrößten Arbeitgeber der Stadt war ein Coup der Verkehrsiniative und ein Stich ins Herz des automanen Establishments. Mehrere hundert AMler trugen mit ihren Autogrammen dazu bei, dass am 1. Oktober rund 35.000 Unterschriften (etwa 60 Kilogramm Papierlisten) an die Stadt übergeben werden. Vielleicht fahren über den Aachen-Münchener-Platz in einigen Jahren nur noch Räder. Sicherer wäre es.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren