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Archiv-Artikel

Ende einer Allianz

Die Wehrmacht verschleppte 730.000 italienische Kriegsgefangene, die nun ihre juristischen Ansprüche durchsetzen wollen. Ein Interview mit Anwalt Joachim Lau

Die Deutsche Wehrmacht hat 1943, als Italien einen Waffenstillstand mit den Alliierten abschloss, Tausende ihrer ehemaligen Waffenbrüder ermordet und etwa 730.000 Kriegsgefangene nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppt. Heute Abend informiert der Rechtsanwalt Joachim Lau aus Florenz im Kölibri über die verweigerten juristischen Ansprüche seiner Mandanten.

taz hamburg: Am 19. Februar 2004 verhandelt das Berliner Verwaltungsgericht über die Klage ehemaliger italienischer Militärinternierter (IMI). Was erwarten ihre 4.200 Mandanten?

Joachim Lau: Sie hoffen, dass endlich ihr schreckliches Schicksal auch juristisch anerkannt wird, und sie fordern die Entschädigungen ein, die Ihnen mit dem Stiftungsgesetz versprochen worden sind.

Aus Verbündeten waren 1943 Gegner geworden ...

Die Wehrmacht war von den Vorgängen nicht überrascht. So hatte die Heeresleitung schon die Deportation von italienischen Soldaten zur Zwangsarbeit vorbereitet. In Deutschland behandelten Behörden und Bevölkerung die Italiener sehr schlecht. Alleine in den ersten Monaten starben zigtausende Deportierte wegen mangelnder Ernährung.

Unter Bruch der Haager Landkriegsordnung versetzte das Deutsche Reich 1944 die IMI in einen Zivilstatus. Dennoch schließt das Bundesfinanzministerium (BMF) eine Entschädigungszahlung nach dem Stiftungsabkommen aus.

Dies ist einer der juristischen Streitpunkte. Denn der Gesetzgeber hat eine Leistungsberechtigung im Falle einer „Kriegsgefangenschaft“ ausgeschlossen. Er ging dabei von der Überlegung aus, dass nach der Genfer Konvention für Kriegsgefangene der Gewahrsamsstaat die Soldaten des Gegners zur Arbeit heranziehen konnte. Tatsächlich hatte die deutsche Regierung die Deportierten aus dem Schutz der Genfer Konvention herausgenommen. Anfragen des Internationalen Roten Kreuzes, die Lager der Italiener zu besuchen, wurden mit dem Hinweis, dass es sich nicht um Kriegsgefangene handelte, abgelehnt. Mit deutscher Geschmacklosigkeit erhielten sie sogar Arbeitspapiere.

Ein Gutachten des Völkerrechtlers Christian Tomuschat stärkt die Rechtsauffassung der Bundesregierung. Über 110.000 Anträge sind vom BMF bereits abgelehnt worden.

Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass die Akte der Reichsregierung völkerrechtswidrig waren, dass die Deportierten als Kriegsgefangene zu betrachten wären und folglich nicht leistungsberechtigt seien.

Folgt man der Argumentation Tomuschats, dass die NS-Maßnahme gegen das Völkerrecht verstieß und als unwirksam anzusehen sei, würden alle Entschädigungsforderungen hinfällig.

Die Argumentation der Bundesregierung ist zu abwegig um als ernsthafte Diskussionsgrundlage zu gelten. Sie ist auch ein glatter Verstoß gegen den Grundsatz des Verbots der unzulässigen Rechtsanwendung.

Interview: Andreas Speit

Informationsveranstaltung mit Joachim Lau: heute, 19.30 Uhr, Kölibri