Ende des Zivildienstes: Wegfall der Zivis trifft Behinderte
Durch das Ende des Zivildienstes ist die Versorgung von Körperbehinderten gefährdet. Die Träger warnen seit einem Jahr davor, die Stadt will nichts überstürzen.
HAMBURG taz | Ohne Zivildienstleistende wird es personelle Engpässe bei der Versorgung von Körperbehinderten geben. Die Stadt setzt darauf, dass Freiwillige die Lücke ab dem 1. Juni füllen. Aber bisher hat sich über den neuen Bundesfreiwilligendienst (BFD), der den Zivildienst ersetzen soll, noch niemand für die Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung in Hamburg beworben.
Derzeit übernehmen Zivildienstleistende die persönliche Assistenz für rund 300 Körperbehinderte in Hamburg. Sie sind zwischen sechs und 24 Stunden am Tag da und helfen bei allem, was im Alltag anfällt: vom Fahrdienst übers Einkaufen und Kochen bis zum Einschalten des Fernsehers.
"Ohne diese Assistenzleistungen können die Menschen kein selbstbestimmtes Leben führen", sagt Stefan Rehm, Vorstand des Diakonischen Werks Hamburg. Bereits im vergangenen Sommer haben sich Diakonie und andere soziale Träger an die Stadt gewandt, um eine Lösung für die Zeit nach dem Zivildienst zu finden. Ohne Ergebnis.
"Uns ist die Dringlichkeit des Problems bewusst", sagt Rico Schmidt, Sprecher der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz. "Aber wir können keine Lösung aus dem Ärmel schütteln." Mit einem Schnellschuss sei in dieser Sache niemandem geholfen, denn man wolle die Schwerstbehindertenbetreuung langfristig sicherstellen.
Die Forderung der Träger, für die wegfallenden Zivildienstleistenden festangestellte Kräfte einzustellen, sei bekannt, sagt Schmidt. "Aber wir müssen ja auch eine finanzierbare Lösung finden."
Festangestellte statt Zivildienstleistende würden die Kosten mehr als verdoppeln. Eine festangestellte Kraft bekommt einen tariflichen Stundenlohn von 21 Euro, ein Zivildienstleistender verdient acht Euro in der Stunde.
Ein finanzierbarer Weg könnte laut Schmidt sein, den BFD aufzuwerten und den jungen Leuten so mehr Anreize zu geben. Aber das seien bisher nur Denkmodelle.
"Durch den Wegfall der Zivis kommen wir in eine Notsituation", sagt Manfred Niemann von der Evangelischen Stiftung Bodelschwingh. Dort werden derzeit 20 Körperbehinderte von 35 Zivildienstleistenden und 15 weiteren, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren, unterstützt.
Um auch über den 1. Juni hinaus eine professionelle Versorgung zu gewährleisten, fordert Niemann einen Paradigmenwechsel. Bisher sei es in Hamburg die Regel, dass Freiwillige die Assistenzdienste übernehmen. Genau das sollte aber der Ausnahmefall und die festangestellte Kraft die Norm sein.
Mit festen Stellen wäre auch die nötige Planungssicherheit für die Träger und die zu Betreuenden gegeben. "Die Betroffenen machen sich natürlich auch Sorgen darüber, wie es ohne Zivis weitergeht", sagt Niemann. "Und wir würden ihnen gern eine klare Perspektive geben."
Die Diakonie hat jetzt einige Verträge mit Zivildienstleistenden verlängert, um einen zeitlichen Puffer zu schaffen. Aber Ende des Jahres müssen die letzten gehen - nach dem Willen der Bundesregierung soll es dann nur noch den Bundesfreiwilligendienst geben.
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