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■ Rußland: Primakow als Premierminister ist ein AuslaufmodellEnde der Lähmung?

Ob die Entscheidung, Wiktor Tschernomyrdins dritte Kandidatur für den Posten des Premierministers nun doch fallenzulassen, ein „Sieg des gesunden Menschenverstandes ist“ (KP-Chef Gennadi Sjuganow), sei dahingestellt. Zumindest signalisiert dieser Schritt die Anerkennung der gegenwärtigen Machtverhältnisse und der daraus resultierenden Notwendigkeiten.

Seit Beginn der Regierungskrise in Rußland vor zwei Wochen ist klar, daß die Kommunisten sich diesmal nicht so billig würden abspeisen lassen. Die Handlungsmaxime hieß: Machtbeteiligung und -absicherung und das auch um den Preis möglicher Neuwahlen. Vorbei die Zeiten, wo der Verlust von Privilegien im Falle einer Parlamentsauflösung die kommunistische Duma-Mehrheit beim dritten Wahlgang von Sergej Kirijenko noch hatte einknicken lassen.

Doch die jetzt präsentierte Alternative – Rußlands Außenminister Jewgeni Primakow – bedeutet mehr als die Aussicht, nach Tagen der Lähmung und eines elenden Postengeschachers doch noch einen konsensfähigen Regierungschef zu inthronisieren. De facto ist damit das in der Verfassung verankerte Recht des Präsidenten, einen Regierungschef „seiner Wahl“ vorzuschlagen, außer Kraft gesetzt. Somit ist auch die viel diskutierte Frage, ob und in welcher Form der Präsident das Parlament künftig an der Regierungsbildung beteiligt, in einem Punkt beantwortet.

Schon jetzt mehren sich kritische Stimmen, die Primakow die Kompetenz absprechen, die akuten Wirtschaftsprobleme zu lösen. Dieser Vorwurf ist berechtigt, greift aber zu kurz. Schließlich hat auch das Intermezzo Kirijenko gezeigt, daß die besten Wirtschaftskonzepte nichts nützen, wo Rückhalt und die Möglichkeit zur Durchsetzung fehlen. Mindestens genauso wichtig ist die Fähigkeit, zu integrieren statt zu polarisieren und dadurch – zumindest für eine Übergangszeit – die Arbeitsfähigkeit des Kabinetts wiederherzustellen. Genau da könnte Primakow seine Stärken ausspielen. So wenig wie ideologischer Nähe zu einer politischen Partei verdächtig, so weit ist Primakow auch von Machtambitionen entfernt, wie sie derzeit Moskaus Bürgermeister Luschkow und der ehemalige General Lebed zur Schau stellen. Das alles ändert jedoch nichts daran, daß der Ex-Apparatschik ein Auslaufmodell ist und ein großer zukunftsweisender Wurf mit ihm nicht zu machen sein wird. Eine Jahrtausendwende mit Primakow an der Spitze des Kabinetts wird Rußland wohl kaum erleben. Barbara Oertel

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