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Empörung über Assimilations ForderungFast alle gegen Erdogan

Nach der CSU kritisieren auch SPD, Grüne und Linkspartei die Vorstellungen des türkischen Ministerpräsidenten.

Auch mal wieder da: Der "bayerische Tourist" Erwin Huber Bild: ap

BERLIN taz Lange war von Erwin Huber nichts zu hören, was bundesweit Schlagzeilen machte. Selbst sein Aschermittwochsauftritt wirkte schläfrig. Nun scheint es, als habe der türkische Ministerpräsident Racep Tayyip Erdogan den CSU-Vorsitzenden aufgeweckt. Seit Erdogan für türkische Schulen in Deutschland plädiert und sich gegen eine Assimilierung der türkischen Migranten ausgesprochen hat, erinnert Huber an einen bayerischen Touristen in einem arabischen Hotel, der nichtsahnend früh um fünf von einem Muezzin aus dem Schlaf gerissen wurde: Er empört sich, schimpft und kann sich nicht mehr beruhigen.

Erdogan habe "türkischen Nationalismus auf deutschem Boden gepredigt" und "dem Zusammenleben von Deutschen und Türken schweren Schaden zugefügt", sagte Huber dem Münchner Merkur und sprach von einer "Kampfansage". Nun müsse man überlegen, ob die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei noch sinnvoll seien.

Mit dem Rundumschlag gegen Erdogan im Speziellen und türkische Begehrlichkeiten im Allgemeinen versucht Huber - mit Blick auf die bayerischen Landtagswahlen im Herbst - die alten Freund-Feind-Schemata wiederzubeleben: Auf der einen Seite die Union, die das christliche Europa und die deutsche Leitkultur verteidigt, auf der anderen Seite die rot-grün-linken Multikulti-Träumer, die zum EU-Beitritt der Türkei und allen weiteren Wünschen aus Ankara naiv Ja und Amen sagen.

Doch so simpel lässt sich die Parteienlandschaft nicht einteilen. Auch der SPD-Generalsekretär Hubertus Heil will "keine türkischen Schulen". Und Fraktionschef Peter Struck nennt Erdogans Warnung vor Assimilation "völlig unakzeptabel". Dessen Auftritt vor Landsleuten in Köln habe den Eindruck vermittelt, "dass er eine Parallelgesellschaft in Deutschland installieren" wolle.

Kritik an Erdogan kommt auch aus der Linkspartei. Die Integrationsprobleme würden "nicht durch türkische Schulen in der Bundesrepublik gelöst", sagte die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen. Und die Grünen-Chefin Claudia Roth regte sich zwar über Huber auf und meint, die CSU behandele "Erdogan genauso abfällig wie früher südostanatolische Gastarbeiter". Bedenken gegen Erdogans bildungspolitische Vorschläge hat sie aber ebenfalls: "Wir brauchen keine Lehrer aus der Türkei." Der grüne Migrationspolitiker Josef Winkler machte einen Kompromissvorschlag: Es spreche "nichts dagegen, Türkisch als erste Fremdsprache und als muttersprachlichen Ergänzungsunterricht anzubieten".

Und die Union? Anders als Huber bemüht sich die CDU-Führung um Ausgewogenheit. Angela Merkel hielt Erdogan eine falsche Vorstellung von Integration vor, lobte aber immer wieder seine beruhigenden Worte nach dem Brand in Ludwigshafen.

Bei ihren relativ differenzierten Äußerungen dürften CDU und Grüne die Hamburg-Wahl am 24. Februar im Kopf haben: Bloß nicht wieder eine Zuspitzung wie in Hessen. Unüberwindliche Hürden für eine mögliche schwarz-grüne Koalition wollen beide nicht aufbauen.

Den harten Konfrontationskurs Hubers sehen offenbar selbst manche CSU-Kollegen eher skeptisch. "Dieses Thema wird in Bayern kaum eine Rolle spielen", sagte Landesgruppenchef Peter Ramsauer über die Ausländerintegration. Die Begründung: "Probleme wie in Hessen, die gibts in der Art hier nicht". LUKAS WALLRAFF

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3 Kommentare

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  • S
    seychelle

    Was soll diese ganze Aufregung eigentlich? Solche Schulen gibt es bereits, wo deutsche und türkische Schüler oder Schüler anderer Herkunft zusammen ihren Unterricht in türkisch und deutsch bestreiten und so im Kindesalter zweisprachig aufwachsen. Was kann daran falsch sein seine Muttersprache bzw. eine zweite dazu zu lernen? Werden Fremdsprachen im Lebenslauf denn nicht gerne gesehen? Oder ist eine Sprache nur erwähnenswert, wenn Sie europäisch ist??

    Ich halte es selbst für sehr förderlich seine Muttersprache und die Sprache des Landes in dem man lebt unbedingt fließend zu beherrschen, um auch bei den Heimatbesuchen nicht nur aufgrund schlechter Türkischkenntnisse bedauert und abschätzig behandelt zu werden, denn genau das passiert türkischen Jugendlichen wie Erwachsenen, wenn Sie ihre Muttersprache nicht beherrschen. Aufgrund dessen ist man doch nicht gleich eine Gefahr für Deutschland! Soll jetzt jeder Migrant/in komplett auf seine Muttersprache verzichten, während deutsche Mitbürger viel Geld für Sprachkurse ausgeben? Totaler Quatsch! Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass Sie mir beide Sprachen beigebracht haben, so dass ich mich heute in beiden Ländern hervorragend ausdrücken und mich ggf. auch wehren und verteidigen kann. Wenn ich Kinder höre, die weder deutsch noch türkisch in befriedigendem Maße beherrschen, so tun sie mir leid, denn so werden sie leider in beiden Ländern und Kulturen niemals alle Möglichkeiten haben, die Ihnen evtl. geboten werden. Wieso sind denn griechische Nachmittagsschulen von Vorteil und erlaubt, während man bei türkischen Mitbürgern jetzt so ein Aufhebens darum macht. Ich hätte es als junger Mensch außerdem sehr förderlich gefunden, wenn ich die Geschichte und Geographie meines Heimatlandes besser kennen gelernt hätte, um mir eine manchmal stattfindende Unsicherheit zu nehmen. Lernen bildet!!! Lehrer aus der Türkei brauchen wir dafür sicher nicht, aber es wäre sicher förderlich den ganzen auf den Straßen Deutschlands weder von den Deutschen noch Türken akzeptierten jungen Menschen mehr Selbstbewußtsein, Sicherheit und Akzeptanz zu verleihen, damit sie sich gegenseitig nicht mehr als "Opfer" beschimpfen müssen!

  • S
    seychelle

    Was soll diese ganze Aufregung eigentlich? Solche Schulen gibt es bereits, wo deutsche und türkische Schüler oder Schüler anderer Herkunft zusammen ihren Unterricht in türkisch und deutsch bestreiten und so im Kindesalter zweisprachig aufwachsen. Was kann daran falsch sein seine Muttersprache bzw. eine zweite dazu zu lernen? Werden Fremdsprachen im Lebenslauf denn nicht gerne gesehen? Oder ist eine Sprache nur erwähnenswert, wenn Sie europäisch ist??

    Ich halte es selbst für sehr förderlich seine Muttersprache und die Sprache des Landes in dem man lebt unbedingt fließend zu beherrschen, um auch bei den Heimatbesuchen nicht nur aufgrund schlechter Türkischkenntnisse bedauert und abschätzig behandelt zu werden, denn genau das passiert türkischen Jugendlichen wie Erwachsenen, wenn Sie ihre Muttersprache nicht beherrschen. Aufgrund dessen ist man doch nicht gleich eine Gefahr für Deutschland! Soll jetzt jeder Migrant/in komplett auf seine Muttersprache verzichten, während deutsche Mitbürger viel Geld für Sprachkurse ausgeben? Totaler Quatsch! Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass Sie mir beide Sprachen beigebracht haben, so dass ich mich heute in beiden Ländern hervorragend ausdrücken und mich ggf. auch wehren und verteidigen kann. Wenn ich Kinder höre, die weder deutsch noch türkisch in befriedigendem Maße beherrschen, so tun sie mir leid, denn so werden sie leider in beiden Ländern und Kulturen niemals alle Möglichkeiten haben, die Ihnen evtl. geboten werden. Wieso sind denn griechische Nachmittagsschulen von Vorteil und erlaubt, während man bei türkischen Mitbürgern jetzt so ein Aufhebens darum macht. Ich hätte es als junger Mensch außerdem sehr förderlich gefunden, wenn ich die Geschichte und Geographie meines Heimatlandes besser kennen gelernt hätte, um mir eine manchmal stattfindende Unsicherheit zu nehmen. Lernen bildet!!! Lehrer aus der Türkei brauchen wir dafür sicher nicht, aber es wäre sicher förderlich den ganzen auf den Straßen Deutschlands weder von den Deutschen noch Türken akzeptierten jungen Menschen mehr Selbstbewußtsein, Sicherheit und Akzeptanz zu verleihen, damit sie sich gegenseitig nicht mehr als "Opfer" beschimpfen müssen!

  • S
    seychelle

    Was soll diese ganze Aufregung eigentlich? Solche Schulen gibt es bereits, wo deutsche und türkische Schüler oder Schüler anderer Herkunft zusammen ihren Unterricht in türkisch und deutsch bestreiten und so im Kindesalter zweisprachig aufwachsen. Was kann daran falsch sein seine Muttersprache bzw. eine zweite dazu zu lernen? Werden Fremdsprachen im Lebenslauf denn nicht gerne gesehen? Oder ist eine Sprache nur erwähnenswert, wenn Sie europäisch ist??

    Ich halte es selbst für sehr förderlich seine Muttersprache und die Sprache des Landes in dem man lebt unbedingt fließend zu beherrschen, um auch bei den Heimatbesuchen nicht nur aufgrund schlechter Türkischkenntnisse bedauert und abschätzig behandelt zu werden, denn genau das passiert türkischen Jugendlichen wie Erwachsenen, wenn Sie ihre Muttersprache nicht beherrschen. Aufgrund dessen ist man doch nicht gleich eine Gefahr für Deutschland! Soll jetzt jeder Migrant/in komplett auf seine Muttersprache verzichten, während deutsche Mitbürger viel Geld für Sprachkurse ausgeben? Totaler Quatsch! Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass Sie mir beide Sprachen beigebracht haben, so dass ich mich heute in beiden Ländern hervorragend ausdrücken und mich ggf. auch wehren und verteidigen kann. Wenn ich Kinder höre, die weder deutsch noch türkisch in befriedigendem Maße beherrschen, so tun sie mir leid, denn so werden sie leider in beiden Ländern und Kulturen niemals alle Möglichkeiten haben, die Ihnen evtl. geboten werden. Wieso sind denn griechische Nachmittagsschulen von Vorteil und erlaubt, während man bei türkischen Mitbürgern jetzt so ein Aufhebens darum macht. Ich hätte es als junger Mensch außerdem sehr förderlich gefunden, wenn ich die Geschichte und Geographie meines Heimatlandes besser kennen gelernt hätte, um mir eine manchmal stattfindende Unsicherheit zu nehmen. Lernen bildet!!! Lehrer aus der Türkei brauchen wir dafür sicher nicht, aber es wäre sicher förderlich den ganzen auf den Straßen Deutschlands weder von den Deutschen noch Türken akzeptierten jungen Menschen mehr Selbstbewußtsein, Sicherheit und Akzeptanz zu verleihen, damit sie sich gegenseitig nicht mehr als "Opfer" beschimpfen müssen!