Empörung in Österreich: Datenhökerei bei der Post
Die österreichische Post treibt mit Kundendaten Handel. Ganz legal, angeblich. „Unethisch“ bis „illegal“ meinen Datenschützer.
In so einem Datensatz wird neben vollem Namen, Adresse und Telefonnummer etwa vermerkt: „Paar ohne Kinder, FPÖ-Affinität hoch, Investmentaffinität sehr niedrig, Bioaffinität hoch, Distanzhandelsaffinität hoch, 11 Pakete pro Jahr“. Von den rund drei Millionen von der Post verwalteten Adressen sind etwa zwei Millionen mit der mutmaßlichen Parteipräferenz angereichert.
Diesen von Addendum anonymisierten Datensatz kaufte neben der SPÖ und dem Möbelriesen Ikea auch ein Versandhandelsunternehmen. Bei der SPÖ gab man an, man habe die Adressen für den Wahlkampf 2017 erworben. Auch andere Parteien kaufen bei der Post regelmäßig Datensätze, die schon einmal 300.000 Euro kosten können. Um Einkommen oder Vermögen ihrer Kunden einschätzen zu können, kauft die Post auch Daten von Gewinnspielen zu.
Natürlich kann auch die Post ihren Kunden nicht in der Wahlzelle über die Schulter schauen. Deswegen ist die Zuordnung einer bestimmten Parteiaffinität hochgradig spekulativ. Sie wird aus den Ergebnissen der Zählsprengel, der kleinsten statistisch erfassten Gebiete und allfälligem Kaufverhalten hochgerechnet.
„Verletzt wohl auch Persönlichkeitsrechte“
Addendum hat das in 50 Fällen überprüft und ist dabei auf eine Trefferquote von 50 Prozent gekommen. Der von Addendum zitierte Datenschutzexperte Alex Anderl hält das für hochproblematisch: „Der Betroffene wird so vielleicht sogar zu Unrecht in ein bestimmtes politisches Lager eingeordnet. Das ist nicht nur datenschutzrechtlich angreifbar, sondern verletzt wohl auch Persönlichkeitsrechte“.
Die Österreichische Post AG antwortete in einer schriftlichen Stellungnahme, sie sei „auf Grund von § 151 Abs. 6 Gewerbeordnung berechtigt, Personen auf Grund von Marketinganalyseverfahren Marketinginformationen zuzuordnen“. Georg Mündl, Chef des Adressmanagements der Post verteidigte im Ö1 Mittagsjournal am Dienstag das Vorgehen mit dem Interesse der Unternehmen, mit ihrer Werbung möglichst „treffergenau beim Kunden“ landen: „Wer das nicht macht, ist dann nicht mehr dabei“.
Die am Dienstag im Ö1-Morgenjournal interviewte Internetexpertin Sarah Spiekermann von der Wirtschaftsuniversität Wien ist dagegen über zeugt: „Aus ethischer Sicht darf sie das nicht“. Die Post habe eine höhere Verantwortung. Schließlich könnten die Daten auch von Versicherungen missbraucht werden, die ihre Angebote individuell anpassen oder von Banken, die Rückschlüsse auf die Kreditwürdigkeit einer Person ziehen würden. Die Post sei gesetzlich verpflichtet zu prüfen und nachzuweisen, dass diese Datensätze nicht noch weiterverkauft werden oder für nicht vertraglich vereinbarte Zwecke eingesetzt würden.
Die Datenschutzbehörde hat jedenfalls ein Prüfverfahren eingeleitet. Die Strafe könnte bis zu 20 Millionen Euro betragen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin